Die deutsche Wirtschaft investiert immer stärker in betrieblichen Klimaschutz und in die eigene Energieversorgung. Zugleich nimmt bei Unternehmen die Verunsicherung wegen unklarer oder widersprüchlicher Rahmenbedingungen zu. Das geht aus dem Energiewende-Barometer 2021 der IHK-Organisation hervor, das der DIHK heute veröffentlicht hat.
Demnach steigt der Anteil der Unternehmen, die Maßnahmen zur besseren Energieeffizienz eingeleitet haben, von 35 auf 38 Prozent. Besonders deutlich nimmt die Nutzung der Elektromobilität zu: 65 Prozent der Betriebe haben sich bereits entsprechende Fahrzeuge angeschafft oder planen dies, ein Plus von fünf Prozentpunkten.
Betriebe nehmen mehr Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit wahr
Allerdings sehen die Unternehmen insgesamt wieder stärker die Risiken der Transformation für die eigene Wettbewerbsfähigkeit: Für inzwischen 30 Prozent der Unternehmen wirkt sich die Energiewende negativ auf das eigene Geschäft aus – nach 26 Prozent im Vorjahr. In der häufig energieintensiven Industrie sind sogar 43 Prozent der Betriebe negativ betroffen. Angesichts der hohen Bedeutung der Industrie für die Wertschöpfung in Deutschland ist dieser hohe Wert besonders beunruhigend.
Lediglich 19 Prozent über alle Branchen hinweg sehen hingegen eine positive Wirkung. “Viele Unternehmen erleben, wie Defizite in den Rahmenbedingungen eine zügige Umsetzung von Energiewende und Klimaschutz in der betrieblichen Praxis behindern”, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. “Hürden sind aus Sicht der Betriebe langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren, der schleppende Ausbau von Stromnetzen und erneuerbaren Energien sowie die hohen Steuern, Abgaben und Entgelte, insbesondere auf Strom. Zudem verteuert die dieses Jahr eingeführte CO2-Bepreisung die Rechnung für Gas und Öl, wovon insbesondere im internationalen Wettbewerb tätige Mittelständler betroffen sind.“
Insgesamt erwarten die Unternehmen in Deutschland unter dem Strich daher mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit: Auf einer Skala von minus 100 („sehr negativ“) bis plus 100 („sehr positiv“) bewerten sie die Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit durchschnittlich mit minus 6,7 und damit kritischer als im Vorjahr (2020: minus 2,5).
Betriebe erleben Widerspruch zwischen Theorie und Praxis
„In dieser Stimmung schlägt sich der von vielen Betrieben erlebte Widerspruch zwischen Theorie und Praxis nieder”, so Adrian. “Die Politik führt klimapolitisch nachvollziehbare ambitioniertere Ziele und höhere CO2-Preise ein. Gleichzeitig schafft sie aber nicht den erforderlichen Rahmen bei Energieangebot und -kosten, mit dem die Unternehmen ihre Energieversorgung und Produktionsverfahren Richtung Klimaneutralität umstellen können.“ Die für die Erfüllung der Klimaschutzziele notwendigen Rahmenbedingungen bleiben unklar, den Betrieben fehlt damit die zentrale Planungsgrundlage für Zukunftsinvestitionen.
Ein Beispiel sind die stetig weiter steigenden Strompreise – und das trotz Deckelung der EEG-Umlage. Die Unternehmen benötigen immer mehr Grünstrom aus dem Netz und vom eigenen Dach, um die von der Politik gesteckten Ziele zu erreichen. „Aufgrund der Belastung mit Umlagen ist Strom aber häufig zu teuer, um den Einsatz von Gas und Öl zu ersetzen. Zugleich wird die Realisierung zusätzlicher Einsparpotenziale in der Praxis immer anspruchsvoller“, so Adrian. Schließlich sind die meisten tiefhängenden Früchte bereits geerntet.
Adrian:“ Minderungsziele sind schnell beschlossen, die Entscheidungen über notwendige Umsetzungsmaßnahmen lassen vielfach auf sich warten.“ Die Firmen empfehlen hierzu, für einen schnelleren Ausbau der Stromnetze zu sorgen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Steuern und Abgaben auf den Strompreis zu reduzieren. Knapp zwei Drittel der Betriebe raten außerdem dazu, die Klimaschutzanstrengungen auf einen umfassenden Emissionshandel zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang plädieren vier von fünf Unternehmen dafür, die nationale CO2-Bepreisung in ein europäisches System zu überführen und damit vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in Europa zu schaffen. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Wichtig ist, durch Vereinbarungen insbesondere mit den großen Wirtschaftsregionen weltweit dafür zu sorgen, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen erhalten bleibt. „Den meisten Unternehmen ist außerdem Technologieoffenheit wichtig“, so Adrian,“ etwa beim CO2-armem Wasserstoff oder im Bereich der Mobilität.“
Stimmung in vielen Unternehmen eingetrübt
„Die Rückmeldungen zeigen uns, dass sich die Stimmung in vielen Unternehmen eingetrübt hat. 2017 sahen die Betriebe insgesamt für sich mehr Chancen als Risiken in der Energiewende. In diesem Jahr überwiegen die Risiken. Eine der großen Aufgaben nach der Bundestagswahl wird sein, das Vertrauen der Wirtschaft in die Chancen der Energiewende wieder zu stärken. Denn Energiewende und Klimaschutz gehen nur mit der Wirtschaft und mit Investitionen von zehntausenden Unternehmen“, so der DIHK-Präsident.