Siegen/Olpe. „Es ist mir eine Freude, erneut zwei hochinteressante und auch für unsere Region thematisch wichtige Arbeiten auszeichnen zu dürfen“, äußerte sich IHK-Präsident Felix G. Hensel. Gemeint war damit der „IHK-Preis“, der jetzt zum 35. Mal verliehen wurde. „Eine noch größere Freude wäre es mir gewesen, wenn wir Ihnen den Preis wie geplant in einem größeren Rahmen an der Universität Siegen hätten verleihen können.“ Verständlicherweise könne das in diesen Tagen nicht geschehen. „Und so sind wir dankbar, dass wir Ihnen den Preis in einem kleineren Rahmen überhaupt übergeben können.“
An Dr. Sandra Afflerbach ging die Auszeichnung für die beste Dissertation. Ihr Titel: „Aspects from Solid State Chemistry and Materials Science on Thermochemical Energy Storage and Conversion“.
Dahinter verbirgt sich die signifikante Steigerung des technologischen Reifegrads thermochemischer Wärmespeicher und Wärmetransformatoren im Hinblick auf deren angestrebte baldige Einsetzbarkeit im kommerziellen, großtechnischen Maßstab. Insbesondere vor dem Hintergrund der sich bereits deutlich abzeichnenden Umstellung der Energiegewinnung und -nutzung liegt hierin ein bedeutsamer Beitrag für eine zukünftige ökologisch sowie ökonomisch sinnvolle, effiziente Energieversorgung.
Im Rahmen ihrer Dissertation – Note: Summa cum laude – entwickelte die 36-jährige Bad Laaspherin ein partikelgrößestabilisiertes Speichermaterial. Darin erkannte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Vergleich zu anderen Projekten auf dem Themengebiet einen besonders innovativen Charakter. Es wählte das Material und das dazugehörige Reaktorkonzept zur Präsentation im deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 2021 in Dubai aus. Übrigens: Das genannte Reaktorkonzept wurden von Ingenieuren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik sowie des Lehrstuhls für Energie und Umweltverfahrenstechnik der Universität Siegen entwickelt.
Die Arbeit entstand im Rahmen interdisziplinärer, von der EU und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekten in enger Zusammenarbeit mit Siemens, Evonik, Bühler und Rheinkalk als namhaften Partnern. „Wir streben jetzt eine Zusammenarbeit mit energieintensiven Unternehmen aus der Region an“, kündigte Dr. Afflerbach an. Unter anderem solle erforscht werden, wie man die Abwärme von Unternehmen nutzen könne, indem man sie speichere. Zugleich würden die Ladezyklen des Speichermaterials untersucht. „Das ist Grundlagenforschung“, verriet sie. „Auf dem Gebiet gibt es bisher quasi nichts.“ Sie selbst sieht ihre Zukunft an der Universität Siegen. Nach ihrer angestrebten Habilitation möchte sie der Forschung treu bleiben.
Ganz so weit ist Marvin Kraft noch nicht. Der Dreis-Tiefenbacher ist derzeit dabei, an der Universität Siegen zu promovieren. Die Auszeichnung erhielt er für seine Masterarbeit – Note 1,0 – mit dem Titel „Einfluss mittelständischer Unternehmen auf die Steuergesetzgebung in Deutschland – Eine empirische Analyse“. Er untersucht empirisch den Einfluss mittelständischer Unternehmen auf die Steuergesetzgebung in Deutschland – ein (noch) wenig erforschtes Themengebiet. Etwa 93 % der Unternehmen in Deutschland sind dem Segment der mittelständischen Unternehmen zuzurechnen. Sie haben somit eine enorme Bedeutung für die Wirtschaftskraft und Beschäftigung. Dies gilt insbesondere für die hiesige Region. Die Resource Dependency Theory unterstellt jedoch, dass dieses Segment einen geringeren Einfluss auf politische Entscheidungen hat als Großunternehmen.
Marvin Kraft testet diese Hypothese am Beispiel der deutschen Steuergesetzgebung mittels drei empirischer Studien. Konkret untersucht er die Beteiligung mittelständischer Unternehmen am Gesetzgebungsprozess über Stellungnahmen, die Befragung mittelständischer Unternehmen im Finanzausschuss sowie die Erwähnung mittelständischer Unternehmen und ihrer Interessen in Bundestagdebatten. Der 27-Jährige fokussiert sich auf die 18. Legislaturperiode und kann auf diese Weise 23 Steuergesetze identifizieren, die im Finanzausschuss im Rahmen einer öffentlichen Anhörung von Bundestagsabgeordneten mit externen Sachverständigen besprochen wurden. „Im Laufe meiner Promotion werde ich mir weitere Legislaturperioden ansehen“, kündigte er an. Insgesamt konnten bisher von 266 politisch engagierten Akteuren 1139 Stellungnahmen bzw. Redebeiträge extrahiert werden, die sodann empirisch ausgewertet werden. Unter anderem wird in diesem Zusammenhang eine automatisierte Textanalyse durchgeführt, für die Marvin Kraft eigens ein Wörterbuch entwickelt hat.
Dr. Sandra Afflerbach freute sich über ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro, Marvin Kraft über 1.500 Euro. Beide Preise wurden in diesem Jahr gestiftet von der IHK Siegen, überreicht von IHK-Präsident Felix G. Hensel und Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. „Die Preise haben wir gern gestiftet“, erklärte Felix G. Hensel. Ebenso gern engagiere sich die IHK Siegen an Universität Siegen: sei es in den Fördervereinen, in Forschungseinrichtungen oder über das IHK-eigene Promotionsstipendien-Programm. „Wir brauchen die Hochschule und die von ihr ausgehende Exzellenz für unsere Region und ihre Zukunft.“ Daher werde sich die IHK auch bemühen, beide Preisträger bei den weiteren Recherchen bzw. der Anwendung ihrer Arbeiten zu unterstützen.
Foto (IHK): IHK-Präsident Felix G. Hensel (r.) und Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener (l.) überreichten den diesjährigen IHK-Preis an Dr. Sandra Afflerbach und Marvin Kraft.