Räumliche Planung mit Gesundheitsförderung vereinen

Der Stadtplaner Dr. Raphael Sieber ist seit Anfang 2020 im Fachbereich Gesundheitsmanagement der Stadt Herne und zudem seit Juli 2020 im Department of Community Health an der Hochschule für Gesundheit in Bochum tätig. „Mir macht es sehr viel Spaß, auf der inhaltlichen Schnittstelle zwischen Gesundheitsförderung und räumlicher Planung zu arbeiten, also interdisziplinär, und ich freue mich schon darauf, bald zudem transdisziplinär zu wirken, also als Verbindungsstelle zwischen kommunaler Verwaltung und Hochschule. Das ist ein sehr reizvolles Modell für die nächsten Jahre“, sagte Dr. Raphael Sieber, der am 1. Juli 2020 mit einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Department of Community Health der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) seine Arbeit aufgenommen hat.

Bereits seit Anfang des Jahres ist er als Stadtplaner im Fachbereich Gesundheitsmanagement der Stadt Herne tätig. Durch diese Kombination erlangt Raphael Sieber innerhalb der nächsten drei Jahre die Qualifikation als Voraussetzung für eine Professur an einer Fachhochschule.

Durch die Corona-Pandemie musste auch Raphael Sieber seine Arbeit von einem Tag auf den nächsten ganz anders fortsetzen, als gedacht. In den ersten Wochen bis zum März 2020 stand das Kennenlernen der Stadtverwaltung Herne auf dem Programm. „Die Türen standen mir offen“, schilderte er seinen ersten Eindruck von der Stadt Herne als Arbeitgeber. Diese hat das Ziel, neben der Verstetigung der Zusammenarbeit mit der Hochschule weitere Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität und der Gesundheit für die Bürger*innen zu entwickeln und Herne damit noch attraktiver zu machen. Dabei nennt die Stadt beispielhaft die Themen Gesundheit im Quartier, Gesundheit und Diversität, Kinder- und Jugendgesundheit sowie Gesundheit und Alter(n) als Anknüpfungspunkte für Raphael Siebers Arbeit.

Seit April 2020 arbeitet Sieber im Homeoffice und konzentriert sich auf die theoretische Arbeit. Die Mitarbeiter*innen im Fachbereich Gesundheitsmanagement der Stadt Herne fokussierten sich auf die Pandemie. Auch der Start an der hsg Bochum wird davon geprägt sein, so viel Arbeit wie möglich vom Homeoffice aus umzusetzen.

Möglich macht das Arbeitsmodell bei zwei Arbeitgebern eine Förderung über das NRW-Landesprogramm ‚Karrierewege FH-Professur‘, das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft getragen wird. Raphael Sieber ist an der hsg Bochum angestellt und ist seit/ab Juli für zwei Arbeitgeber tätig. 75 Prozent seiner Stelle werden über die Förderung vom Land finanziert; die Stadt Herne übernimmt den Rest. Das Landesprogramm fördert besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem Weg zur FH-Professur. Denn für die Berufung auf eine Fachhochschulprofessur ist neben der wissenschaftlichen Qualifikation auch eine mindestens dreijährige Berufserfahrung außerhalb des Hochschulbereichs notwendig.

Raphael Sieber hat zunächst ein Studium der Geografie, Soziologie und Politik an der Humboldt-Universität in Berlin mit einem Diplom abgeschlossen. Danach studierte er Raumplanung an der Technischen Universität (TU) Dortmund und schloss dies im Jahr 2013 mit einem Master ab. Seit 2010 beschäftigt er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Dortmund und TU Dortmund mit Themen der sozialen Stadtentwicklung. Ab 2012 kamen Themen der gesundheitsfördernden Stadtentwicklung hinzu. „Machen uns unsere Städte gesund oder krank? Und was kann die Profession des Stadtplaners tun, damit die Lebenswelt Stadt für die Menschen gesundheitsorientiert entwickelt wird?“, mit diesen Fragen beschäftigte er sich immer intensiver.

2017 schloss Raphael Sieber seine Dissertation am Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung der TU Dortmund ab. Seine Dissertation, die durch die die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung gefördert wurde, trägt den Titel ‚Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung – Eine Untersuchung von stadtplanerischen Instrumenten unter Einbeziehung des Setting-Ansatzes‘.

Raphael Sieber lehrte nach der Promotion an der TU Dortmund zu Themen der Umweltgerechtigkeit und übernimmt zudem seit vier Jahren Lehrveranstaltungen an der hsg Bochum. Er wirkte in einem Forschungsprojekt mit, in dem es auch um die Frage ging, wer es sich eigentlich leisten kann, sich an den Klimawandel anzupassen. Raphael Sieber: „Es geht um Fragen der Gerechtigkeit: Wer ist wie stark betroffen? Wie sieht es insbesondere mit den sozial benachteiligten Quartieren aus?“
Heute ist sein Forschungsfeld die Schnittstelle von räumlicher Planung und Gesundheitsförderung. Wie sollten zum Beispiel Stadtviertel geplant werden, damit die Bürger*innen gesund leben können? „Es geht aber nicht nur darum, Krankheit zu verhindern, sondern auch um die Frage, wie man Gesundheit fördern kann“, erklärte Sieber und fügte hinzu: „Dieser Ansatz kommt langsam in der Raumplanung an.“

Außerdem geht es dem Geografen und Stadtplaner um die Bürgerbeteiligung – Stichwort ‚Empowerment‘. Was kann man tun, um die Beteiligung der Bürger*innen an verhaltens- und verhältnisorientierter Gesundheitsförderung zu stärken? Sieber: „Die Menschen können noch viel besser in die Lage versetzt werden, um auf die Gesundheitsdeterminanten in ihren Lebenswelten Einfluss zu nehmen.“

Dank der Förderung über die nächsten drei Jahre hat Raphael Sieber die Möglichkeit, Praxisjahre zu sammeln und mit der Stadt Herne an der Verbindungsstelle von räumlicher Planung und Gesundheitsförderung zu arbeiten. „Ziel ist es, einen Fachplan Gesundheit aufzustellen. So ein Plan kann als Fachbeitrag des Gesundheitsressorts zur räumlichen Planung verstanden werden“, so Raphael Sieber.

Ein Fachplan Gesundheit soll auf kommunaler Ebene dabei helfen, die Arbeit der Gesundheitsbehörde datenbasiert und zielorientiert zu steuern. Das Aufgaben- und Leistungsspektrum des Gesundheitssektors ist mit Hilfe des Fachplans übersichtlich und transparent darzustellen. Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) entwickelt bereits seit längerem die Konzeption solcher lokalen Fachpläne Gesundheit. Doch in der Praxis der kommunalen Verwaltung existieren bisher wenige Beispiele für solche raumrelevanten Fachpläne aus dem Gesundheitssektor. Genau hier sieht Raphael Sieber einen „anwendungsorientierten Forschungsbedarf“.

„Die Planung in Herne ist auf Umsetzung ausgerichtet. Wir werden analysieren, Ziele formulieren und einen Plan erstellen, wie wir zum Ziel kommen“, erläuterte er und betonte, dass seine Aufgabe darin liege, den gesamten Prozess zu begleiten.

In seiner Zeit an der hsg Bochum wird er die wissenschaftliche Begleitforschung durchführen. Direkte Vorgesetzte an der Hochschule ist Dr. Heike Köckler, Professorin für Sozialraum und Gesundheit am Department of Community Health der hsg Bochum. In der Stadt Herne ist ihm Dr. Katrin Linthorst, Leiterin des Fachbereichs Gesundheitsmanagement der Stadt Herne, fachlich vorgesetzt, die seit vielen Jahren eng mit der hsg Bochum zusammenarbeitet.

Katrin Linthorst: „Die Kooperation mit der hsg und der Einsatz von Herrn Sieber sind ein echter Gewinn für die Stadt Herne. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis passen sehr gut in die Umsetzung und die bisherigen Erfahrungen der gesamtstädtischen Präventionsstrategie. Durch die Kompetenzen und Erfahrungen, die Herr Sieber als Stadtplaner und Wissenschaftler mitbringt, erleben wir eine Perspektivenerweiterung, die uns ermöglicht, alle Fachbereiche, externe Akteure und insbesondere Herner Bürgerinnen und Bürger stärker miteinzubeziehen.“

„Für die hsg bietet dieses Modell in gleicher Weise die Möglichkeit zur weiteren Qualifizierung bereits Promovierter beizutragen und die enge Zusammenarbeit mit der Stadt Herne zu vertiefen. Durch die Arbeit von Dr. Sieber können wir einen Beitrag dazu leisten den Fachplan Gesundheit als ein Instrument der gesundheitsfördernden Stadtentwicklung in der Praxis zu erproben. Wir sind überaus froh mit Herrn Dr. Sieber einen weiteren kompetenten Mitarbeiter in diesem für Community Health zentralen Bereich zu haben“, erklärte Heike Köckler.