Grundstücks-Nachfrage springt wieder an

MRZ: Herr Kuypers, die Wirtschaftsförderung Kreis Kleve hat sich in den letzten zehn Jahren auch dadurch profiliert, dass man den Unternehmern der Region mit diversen regelmäßigen Unternehmerfrühstücken und -abenden begegnet ist. 1.500 persönliche Kontakte in einem Kalenderjahr waren keine Seltenheit. Davon kann jetzt zu Corona-Zeiten keine Rede sein. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?

Kuypers: Die Wirtschaftsförderung Kreis Kleve hat traditionell ein sehr vielschichtiges Programm. Zugegeben, die vielen Veranstaltungen nehmen hier vor allem in der Öffentlichkeit einen breiten Raum ein. Das lässt sich bei etwa 50 Einzelveranstaltungen, gemeinsamen Frühstücken und Unternehmerabenden nicht anders sagen. Aber seit jeher zählen auch die Vier-Augen-Gespräche, die Gründer- und Unternehmensberatung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Diese haben nun zu Corona-Zeiten eine wirklich tragende Bedeutung erhalten. Die intensiven Telefonate mit den Firmenchefs haben fast alle unsere weiteren Aufgaben abgelöst.

Der Tourismus, der im Kreis Kleve ebenfalls zum Aufgabenspektrum zählt, hat abgesehen von den marketingorientierten werblichen Botschaften an die Presse und Öffentlichkeit von Corona eine Pause verordnet bekommen. Wir bedauern das sehr, haben allerdings großes Verständnis für die bundesweite Vorgehensweise. Der messbare Erfolg der Maßnahmen überzeugt.

 

MRZ: Was hat derzeit bei Ihnen die höchste Priorität?

Kuypers: Der Unternehmer und sein Tun. Hat er Liefer-Engpässe, versuchen wir unser Netzwerk zu bieten. Hat er einen finanziellen Engpass, dann suchen wir gemeinsam nach Liquidität oder verfügbaren Sicherheiten und sprechen für ihn oder mit ihm die Sparkassen oder Volksbanken der Region an. Und braucht er Antworten auf anstehende Herausforderungen in der Personalwirtschaft, dann bauen wir Brücken zur Agentur für Arbeit, liefern Stichworte fürs Gespräch mit dem Rechtsanwalt oder Steuerberater. Und will er im schlimmsten aller Fälle aufgeben – dann helfen wir bei der Nachfolger-Suche. Da sind wir gut vernetzt.

 

MRZ: Welche Fragen bewegen die Unternehmer im Kreis Kleve zu Corona-Zeiten am stärksten?

Kuypers: Es sind ganz eindeutig die Förderhilfen vom Kreis Kleve, vom Land und vom Bund. Das Soforthilfe-Programm des Kreises Kleve, kurz Soforthilfe Corona, die NRW Soforthilfe 2020, der KfW Schnellkredit für den Mittelstand für Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten wie der KfW Unternehmerkredit und das KfW Sonderprogramm 2020. Sie alle haben ihre speziellen Zielgruppen gefunden. Aber der Weg dorthin war oft genug auch lediglich über Gespräche zu finden. Das weiß bei der Kreis-WfG niemand besser als Kollege Norbert Wilder, unser Prokurist. Jeder monatliche Zahltag wird von uns allen als neue Herausforderung angenommen.

 

MRZ: Welchen Tipp können Sie den Unternehmern in der Krise mit auf den Weg geben?

Kuypers: Zunächst einmal Ruhe bewahren. Ich weiß, dass dies leicht daher gesagt ist. Den Mitarbeitern hohes Vertrauen schenken, auch beim Home-Office Schwerpunkte in der Vertrautheit beibehalten. Die Programme intensiv lesen, die Kurzarbeiter-Regelungen prüfen und letztlich die gewohnten Berater, insbesondere die mit den Zahlen vertrauten Steuerberater einbinden. Auch hier gibt es ja seit jüngstem die 100-Prozent-Förderung für ausgewählte Beratungsleistungen.

 

MRZ: Gibt es derzeit überhaupt noch „normale Anfragen“, z.B. nach Gewerbegrundstücken?

Kuypers: Ja, die gibt es. Zu Beginn der Krise war die Nachfrage zusammengebrochen, war sie sehr übersichtlich. Wir haben ganz offen gesagt nur eine Anfrage bearbeitet. Diese kam von einem Niederländer über einen Steuerberater der Region und zielte auf eine Immobilie im Kleve-Goch-Umfeld ab. Gesucht wurde eine Immobilie auf etwa 5.000 Quadratmetern Grundstück. Es sollte eine Halle vorhanden sein, in der Produktion möglich ist. Aber in den letzten zehn Tagen springt es wieder an. Wirklich erstaunlich zu dieser schwierigen Zeit.

 

MRZ: Gibt es etwas, das wir alle aus der Krise lernen können?

Kuypers: Ich denke, da gibt es manches. Zunächst einmal haben wir wohl gelernt, dass die Entschleunigung nicht nur ein Schlagwort aus der Tourismuswerbung ist, sondern auch unsere gesamte Gesellschaft zu neuem Denken führen kann. Das beginnt damit, dass wir alle den Beitrag des Einzelnen zum gesamtgesellschaftlichen Gefüge neu überdenken. Hier sehe ich vor allem die Berufe im Sozialen und im Gesundheitswesen, die Bewundernswertes leisten.

Was mich auch sehr bewegt ist die Furcht davor, dass Corona und der hervorgerufene „Hausarrest“ für viele von uns den Einkauf im Internet erstmals herbeiführt, diesen intensiviert oder schlimmstenfalls zur Gewohnheit werden lässt. Diese Krise wird damit im zweiten Schritt unsere Innenstädte und deren Anziehungskräfte verändern.

Stimmt es denn, dass es in unserem Einzelhandel lichterloh brennt – und daran glaube ich – dann ist das Internet zu Zeiten von Corona „der“ Brandbeschleuniger schlechthin. Wenn ich als Wirtschaftsförderer, und da sind mit mir alle Berufskollegen im Kreisgebiet einig, nur einen Wunsch äußern darf: Wenn die Menschen schon im Internet kaufen müssen, dann sollten sie es bei ihren Einzelhändlern vor Ort tun. Die bringen ihre Ware in der Regel am selben Tag ins Haus.

 

Foto: Hans-Josef Kuypers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve.