MRZ: Die Wirtschaftsförderer der deutschen Kommunen beobachten die Öffnungsdebatte in Bezug auf die Innenstädte mit großer Besorgnis und haben sich an die Minister Altmaier (Bund) und Pinkwart (NRW) gewandt. Warum?
Dr. Schückhaus: Durch den langen Lockdown stehen viele Handelsbetriebe vor der Existenzfrage. Dies gilt nicht nur für die kleinen, inhabergeführten Betriebe sondern auch für die großflächigen Handelsbetriebe in unseren Innenstädten. Großflächige Handelsbetriebe sind für das Funktionieren von Innenstädten aber extrem wichtig. Einkaufen ist gemäß dem IFH Köln das Hauptmotiv überhaupt, in die Innenstadt zu kommen. Dabei sind insbesondere die großflächigen Handelsbetriebe wie Warenhäuser und Modehäuser die Hauptfrequenzbringer, ebenso wie die Shoppingmalls. Bei einem Wegbrechen dieser Anbieter droht ein Dominoeffekt, da durch Insolvenzen oder Filialschließungen von großflächigen Handelsbetrieben kleinere Händler aufgrund der rückläufigen Frequenz mitgerissen werden. Vergleichbare Effekte drohen in der Gastronomie. Schon jetzt rechnen Experten damit, dass jeder zweite Betrieb nach dem Lockdown nicht mehr geöffnet wird. Die Bedeutung der Gastronomie für lebendige Innenstädte ist damit ähnlich wie die Existenz von Einzelhandelsbetrieben.
MRZ: Welche Folgen hat dies für unsere Innenstädte?
Dr. Schückhaus: Handel und Gastronomie prägen unsere Innenstädte. Einmal zu den Internetmarktplätzen abgewanderte Umsätze dürften sich nach der Corona-Krise nicht mehr ohne Weiteres zurückholen lassen. Corona beschleunigt die schon seit Jahren eingeleiteten Veränderungen im Handel. Verödung und weiterer Leerstand sind die Folgen. Die Verlängerung des Lockdowns für große Handelsbetriebe kann im ungünstigen Fall wie ein Brandbeschleuniger wirken.
MRZ: Was schlagen Sie vor?
Dr. Schückhaus: Die Beschränkung der Öffnung auf 800 qm Verkaufsfläche muss aus Sicht der Wirtschaftsförderer schnellstmöglich fallen. Der Infektionsschutz lässt sich in großflächigen Handelsgeschäften ebenso gut wie oder sogar besser als in kleinen Einrichtungen einhalten. Wichtig sind ein entsprechendes Hygienekonzept mit Zugangsbeschränkungen, Desinfektionsregelungen, Einbahnstraßenregelungen und Abstandsflächen, welche auf großer Fläche einfacher realisierbar sind, als in kleinen Boutiquen. Dies wird auch vom Bonner Hygiene-Institut bestätigt.
Auch sollte überlegt werden, wie die Gastronomie stufenweise wieder geöffnet werden kann, beispielsweise beginnend mit der Außengastronomie, bei der Abstandsflächen leicht realisiert werden können.
Nach Corona muss die Diskussion weitergeführt werden, welche Rolle unsere Innenstädte unter Berücksichtigung von Handel und Gastronomie zukünftig spielen sollen.
Dr. Ulrich Schückhaus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWMG (Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach) und Geschäftsführer der WFMG (Wirtschaftsförderung Mönchengladbach)