Nanowissenschaftler erhalten spezielles Forschungsgerät

Münster. Die Erforschung und Entwicklung von Nanosystemen, also Strukturen, die tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares sind – daran arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen gemeinsam an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Für ihre Forschung steht ihnen jetzt ein spezielles Arbeitsgerät zur Verfügung: das Ionenstrahllithografie-System „VELION“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Land Nordrhein-Westfalen mit 840.000 Euro gefördert wird. Die Wissenschaftler profitieren dabei von einer Kooperation mit der Dortmunder Firma Raith, die das Instrument entwickelt und hergestellt hat, und deren Mitarbeiter nun mit den WWU-Forschern am weiteren Ausbau des Systems arbeiten.

Äußerlich handelt es sich bei dem Gerät im Erdgeschoss des Center for Soft Nanoscience (SoN) der WWU um einen grauen Kasten von der Größe zweier Kleiderschränke – im Inneren passiert allerdings eine ganze Menge. Das Herzstück des Geräts besteht aus einem fokussierten Ionenstrahl und einem Rasterelektronenmikroskop. Mit dem Ionenstrahl können Strukturen in dünne Schichten „geschrieben“ werden, zum Beispiel, um Schaltkreise auf Chips herzustellen.

Die Besonderheit des Geräts ist eine spezielle Ionenquelle mit geladenen Gold- und Siliziumatomen. Im Vergleich zu Geräten mit Galliumionen, die üblicherweise genutzt werden, können die Wissenschaftler so das Material präziser strukturieren, großflächigere Strukturen erzeugen und damit zum Beispiel ganze Wafer, also Halbleiter-Scheiben, vollschreiben. Dabei ist es möglich, viele kleine Punkte nebeneinander anzuordnen und miteinander zu verbinden. Das Mikroskop tastet dabei die Oberfläche der Materialien ab und nimmt hochauflösende Bilder der molekularen Strukturen auf, um den Prozess zu kontrollieren. Diese Art von Aufbau ist bisher deutschlandweit einmalig.

Das neue System ist Teil der sogenannten Münster Nanofabrication Facility der WWU, einem modernen Gerätezentrum für die Nanofertigung, das von Wissenschaftlern aus der Chemie, Physik, Biologie und Medizin, aber auch aus anderen Fachbereichen genutzt werden kann. „Die verschiedenen Arbeitsgruppen im SoN und darüber hinaus bekommen jetzt neue Möglichkeiten“, betont Prof. Dr. Wolfram Pernice, der das Velion-System mit seiner Forschergruppe in den kommenden Jahren testet, um es weiterzuentwickeln. Darüber hinaus kommen die Mitarbeiter von Raith weiterhin regelmäßig an die WWU, um die Arbeitsabläufe zu optimieren und die Funktionalität der Bauelemente zu testen.

In ersten Projekten nutzen die Wissenschaftler das Gerät unter anderem, um sogenannte künstliche neuronale Netze herzustellen, also eine Rechenarchitektur auf einem Chip, die den Verknüpfungen von Nervenzellen im Gehirn nachempfunden ist. Das Gerät findet automatisch die Strukturen auf der Oberfläche, an denen noch nachgebessert werden muss und führt die Justierung mit dem Ionenstrahl automatisch durch. Dadurch können deutlich dichtere Netzwerke erzeugt werden, die aus vielen perfekt aufeinander abgestimmten Einzelkomponenten aufgebaut sind. Auch für die Erforschung von Quantentechnologien ist das System von Bedeutung. Die Wissenschaftler können jetzt sehr kleine Muster mit direkt nebeneinanderliegenden Ionen erstellen – ein Vorteil gegenüber der Arbeit mit Elektronen, die sich aufladen. Darüber hinaus findet die neue Herangehensweise in der Materialphysik Anwendung, denn ein Silizium- oder Goldstrahl schädigt die Oberfläche nicht so stark wie es bei herkömmlich eingesetzten Ionen der Fall ist.

Das SoN:

Im Center for Soft Nanoscience, das im November 2018 eingeweiht wurde, arbeiten zwölf Teams fachübergreifend mit hochmodernen nanoanalytischen Verfahren. Auf einer Gesamtfläche von fast 8.000 Quadratmetern erforschen sie die Abläufe in natürlichen und durch Selbstorganisation erzeugten künstlichen Materialien mit steuerbaren Eigenschaften.