Die Unternehmer in Kaarst geben dem Standort die Note 2 minus. Sie sind vor allem mit vielen harten Standortfaktoren, wie der überörtliche Verkehrsanbindung, zufrieden. Auch bei einer Reihe von volkswirtschaftlichen Indikatoren aus der amtlichen Statistik kommt der Standort gut weg. Das sind wesentliche Erkenntnisse aus der Standortanalyse Kaarst, deren Ergebnisse die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein Unternehmerinnen und Unternehmern im Rathaus Kaarst vorgestellt hat. „Die kommunalen Leistungen werden allerdings schwächer eingestuft als noch vor fünf Jahren“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, der sich bei der Präsentation coronabedingt in Isolation befand und deshalb digital zugeschaltet war. Er betonte: „Die Stadtverwaltung darf sich auf den insgesamt positiven Rahmendaten nicht ausruhen.“ Die Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung sei ein bedeutender Standortfaktor.
Mit Blick auf die Daten aus der amtlichen Statistik, die für die Standortanalyse ausgewertet wurden, erklärte Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK: „Der Standort hat sich in den vergangenen gut zwanzig Jahren prima entwickelt. Die Beschäftigung ist seit 1999 um 30 Prozent und damit stärker gewachsen als im Kreis und im Land.“ Allerdings liegen die Wachstumsraten seit 2017 etwa im Durchschnitt. Dies zeige, dass der Gewerbeflächenpolitik wieder mehr Beachtung geschenkt werden müsse. „Die Gewerbegebiete ,Kaarster Kreuz‘ und ,Kaarst-Ost‘ bieten schließlich große Potenziale“, so Werkle.
Beim Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe fällt auf: Kaarst hat eine niedrige Arbeitslosenquote, eine große Steuereinnahmekraft sowie eine große Kaufkraft. „Damit ist Kaarst weiterhin ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort.“ Das bestätigen die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, an der mehr als 100 Kaarster Betriebe teilgenommen haben. Sie konnten dem Standort insgesamt sowie 50 Standortfaktoren eine Schulnote zwischen 1 und 6 geben. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt positiv aus. Die Note von 2,30 ist deutlich besser als der Durchschnitt der Städte, die wir in den vergangenen zwei Jahren untersucht haben“, erläuterte Steinmetz.
Dies liegt aus Sicht des IHK-Hauptgeschäftsführers an der Lage und der Infrastruktur. „Die Verkehrsanbindung wird mit 1,79 sehr gut bewertet. Sie ist den Betrieben auch besonders wichtig.“ Für den Zustand der überörtlichen Straßeninfrastruktur gaben die Betriebe eine 2,26. Die gute Lage und Anbindung der Stadt Kaarst wird auch mit Blick auf den ÖPNV gelobt (Note 2,63). Einer der wichtigsten Standortfaktoren ist für die Unternehmen die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. „Mit 2,81 wird sie zwar nicht besonders gut, aber insgesamt doch positiv bewertet und vor allem besser als in vielen anderen Kommunen in der Region. Zudem hat sich die Bewertung seit 2017 stark verbessert“, lobt Steinmetz die Anstrengungen der Verwaltung.
Gleichzeitig zeigt die Umfrage aber auch, dass die Unternehmen Defizite in der Kaarster Verwaltung sehen. Die behördliche Reaktionszeit wird mit 3,30 nur unterdurchschnittlich bewertet. Der Faktor wird kritischer bewertet als im Schnitt am Mittleren Niederrhein und auch merklich schlechter als noch vor fünf Jahren. Ähnliches zeigt sich bei der Bewertung der Erreichbarkeit und der Öffnungszeiten der Behörden, und auch Faktoren wie der Service der Wirtschaftsförderung werden schlechter bewertet als noch vor fünf Jahren oder am Mittleren Niederrhein allgemein. Zudem wird die allgemeine Kommunikation mit der Kommunalverwaltung unterdurchschnittlich beurteilt. „Die Verwaltung muss da ran. Allein mit den coronabedingten Restriktionen lässt sich diese Verschlechterung nicht erklären, in anderen Kommunen konnten solche Entwicklungen schließlich nicht beobachtet werden“, sagte Steinmetz. „Wir empfehlen ein Zertifizierungsverfahren zur Mittelstandsorientierten Kommunalverwaltung.“ Im Rahmen dieses Verfahrens würden Probleme offengelegt.
Positiver als bei der Umfrage vor fünf Jahren bewerten die Betriebe dagegen den Gewerbesteuerhebesatz. „Die Senkung zum Jahr 2020 hat die Betriebe in einer schwierigen Zeit entlastet. Das war eine gute Maßnahme von Politik und Verwaltung“, so Steinmetz.
Foto: IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, der coronabedingt aus der häuslichen Isolation zugeschaltet war, und Gregor Werkle (Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK, r.) stellten die Standortanalyse vor und diskutierten die Ergebnisse mit Bürgermeisterin Ursula Baum, Axel Süßbrich (Leiter Wirtschaftsförderung und Liegenschaften) und den Unternehmerinnen und Unternehmern. IHK