Das erste Wohnhaus Deutschlands, das mittels eines 3D-Betondruckers erstellt wurde, ist bezugsfertig. Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, hat das Gebäude in Beckum am Montag, 26. Juli 2021, offiziell eröffnet. Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Projekt genehmigt und im Rahmen seines Förderprogrammes „Innovatives Bauen“ finanziell mit knapp 200.000 Euro unterstützt. Der Bau in Westfalen stieß seit Baubeginn Anfang September vergangenen Jahres weit über die Grenzen Deutschlands hinaus auf großes Interesse bei Vertretern von Medien, Bauwirtschaft und Planern.
Ministerin Scharrenbach kommentiert das Projekt so: „Die drei Ds – digital, dynamisch, druckfertig – sind in Beckum umgesetzt. Mit dem bundesweit ersten 3-D-Druck-Wohnhaus wird positiver Druck in der Baubranche erzeugt: für innovatives Bauen mit neuen Techniken, für eine größere Attraktivität in Bauberufen und für moderne Architektur mit neuen Stilformen. Jetzt gilt es, Erfahrungen mit dem Bauwerk zu sammeln und den Herstellungsprozess auf dem Markt zu etablieren, denn nur mehr Wohnraum sorgt für günstige Mieten. Der Druck darf nicht nachlassen, mit neuen Projekten allen in der Baubranche Tätigen ständig neue Impulse zu geben.“
„Gemeinsam mit unserem Technologiepartner Cobod hat das Peri-Team gezeigt, dass die 3D-Betondruck-Technologie marktreif ist. Das Projekt in Beckum ist ein Meilenstein, der in der Branche vieles in Bewegung gebracht hat“, so Thomas Imbacher, Vorstand Innovation & Marketing der Peri-Gruppe, die den 3D-Druck umgesetzt hat. „Wir danken allen Projektpartnern, die dieses erste gedruckte Haus Deutschlands zu einem Erfolg gemacht haben. Insbesondere dem Land Nordrhein-Westfalen für die zügige Genehmigung. Das Haus in Beckum war das erste seiner Art und für Peri und für alle Beteiligten wird dieses Projekt immer etwas ganz Besonderes bleiben.“
Geplant wurde das Gebäude vom Beckumer Ingenieur- und Architektenbüro Mense-Korte. Dazu erläutert Architekt und Miteigentümer Waldemar Korte: „Mit dem gedruckten Gebäude in Beckum haben wir sehr erfolgreich aufgezeigt, was möglich ist, wenn sich Menschen zusammenfinden, die unerschütterlich an eine Sache glauben und bereit sind, dafür Pionierarbeit mit all seinen Höhen und Tiefen zu leisten. Das Bauen und Planen wie wir es seit Jahrhunderten kennen, wird sich in vielen Bereichen grundlegend ändern – und wir sind dankbar, mit unserem gedruckten Haus einen entscheidenden Beitrag hierzu geleistet zu haben.“
Entstanden ist in Beckum ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit insgesamt etwa 160 Quadratmetern Wohnfläche. Mit dem 3D-Druck ist ein komplett neues Bauverfahren umgesetzt worden, das es bisher in der Baupraxis in dieser Form nicht gab. Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen der obersten Bauaufsicht im Ministerium mussten insbesondere Kennwerte für die Berechnung der Standsicherheit bestimmt werden. Dazu fanden in der TU München zahlreiche Materialprüfungen statt.
Wie funktioniert 3D-Druck beim Bauen? Meistens wird 3D-druckfähiger Mörtel oder Beton auf Zementbasis „gedruckt“. Dieses bedeutet, dass der Baustoff durch eine Düse in Schichten aufgetragen wird. Die Schichtdicken liegen im Zentimeter-Bereich. Der 3D-Drucker ist flexibel und schnell einsetzbar, so dass sich die erforderlichen Ressourcen verringern. Denn es müssen nicht mehr viele verschiedene Baustoffe auf der Baustelle zu einem Wandelement zusammengebaut werden. Dieses ergibt eine Zeitersparnis und eine Verschlankung der Bauabläufe. Um die finanziellen und zeitlichen Vorteile zu evaluieren, sind Pilotprojekte notwendig. Da beim 3D-Druck auf Digitalisierung gesetzt wird, können bis zu drei Mitarbeiter den Herstellungsprozess abwickeln. Das ist vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Bauwirtschaft ein entscheidender Vorteil. Da im Schichtbetrieb gearbeitet werden kann, wird die Bauzeit deutlich gesenkt. Zudem können mit dem Druckverfahren aufwändige Arbeiten – etwa Rundungen im Gebäude – unkompliziert erledigt werden.
Von dem Pilotprojekt in Beckum werden Ergebnisse und Erfahrungen erwartet, die beispielgebend für die gesamte Baubranche sein dürften. Das Pilotprojekt in Beckum hat eine weitreichende Vorbildfunktion: Was in Nordrhein-Westfalen – technisch und rechtlich – funktioniert, dürfte auch an vielen anderen Orten umsetzbar sein. Vor diesen Hintergründen ist es wichtig, in ganz Deutschland mit entsprechenden Projekten zu starten, damit nicht nur die Forschung in Nordrhein-Westfalen stattfindet, sondern anschließend auch die Wertschöpfung. Das neue Bauverfahren wurde bereits mit dem branchenübergreifenden „German Innovation Award“ 2021 ausgezeichnet.