Eine Wasserstoff/CO2-Infrastruktur für Deutschland

Bochum. So könnte der Übergang von fossilen Energieträgern zu einer grünen Wasserstoffwirtschaft gelingen.

Damit der CO2-Ausstoß in Deutschland sinkt, braucht es emissionsarme Energieträger wie Wasserstoff sowie eine geeignete Infrastruktur. Drei Infrastrukturoptionen, die zu einer Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft beitragen würden, hat ein interdisziplinäres Team im Rahmen des Research Departments Closed Carbon Cycle Economy der Ruhr-Universität Bochum (RUB) analysiert – aus technischer, juristischer, sozialwissenschaftlicher und ökonomischer Perspektive. Die deutsche Fallstudie war eingebettet in das europäische Verbundprojekt „Elegancy“. Als Teil des ERA-Net-Cofund-ACT-Programms förderte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Arbeit der Ruhr-Universität Bochum in diesem multinationalen Konsortium.

Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Dekarbonisierung Europas zu beschleunigen, mithilfe von Wasserstoff sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, kurz CCS). Das Projektteam analysiert den Aufbau von Wasserstoff- und CCS-Infrastrukturen, die Norwegen, Deutschland, die Niederlande, die Schweiz und Großbritannien verbinden. Das Wissenschaftsmagazin Rubin der RUB berichtet über die Ergebnisse.

Drei Fälle betrachtet

Alle drei in der Fallstudie betrachteten Infrastrukturoptionen gehen davon aus, dass Deutschland weiterhin aus den großen Erdgasvorkommen in Norwegen beliefert wird. Für die erste Option wird von einem unveränderten Energiebezug ausgegangen, wobei das entstehende CO2 bei großen Emittenten wie der Stahl- und Zementindustrie abgeschieden und anschließend gespeichert wird, sodass es nicht in die Atmosphäre gelangt (CCS). Da in Deutschland für eine CO2-Speicherung die Akzeptanz der Bevölkerung fehlt, geht der erste Fall der Studie davon aus, dass das abgeschiedene CO2 in die Niederlande transportiert werden muss, wo es Pläne für die Offshore-Speicherung gibt.

Bei der zweiten Option wird das CO2, das bei der Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas entsteht, schon in Norwegen abgeschieden und gespeichert. Dadurch entsteht sogenannter blauer Wasserstoff, der eine bessere CO2-Bilanz hat, weil deutlich weniger Kohlendioxid bei der Herstellung in die Atmosphäre entweicht. Der so gewonnene Wasserstoff wird dem Erdgas beigemischt, das über bestehende Pipelines nach Deutschland transportiert werden kann. So kommt in Deutschland ein Gemisch aus Erdgas mit erhöhtem Wasserstoffanteil an, bei dessen Verbrennung weniger CO2 entsteht als bei der Verbrennung von normalem Erdgas.

Die dritte Option ähnelt der zweiten. Auch hier soll Wasserstoff in Norwegen aus Erdgas gewonnen werden, der dann jedoch über ein separates Wasserstofftransportnetz verteilt wird, das teils alte Erdgasleitungen verwenden kann.

Technisch lösbar, juristisch herausfordernd

Stefan Flamme und Prof. Dr. Valentin Bertsch vom Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft überprüften die Optionen auf technische Machbarkeit und kamen zu dem Schluss, dass alle drei Fälle realisierbar wären. Um die Kosten möglichst gering zu halten und die CO2-Einsparungen zu maximieren, würden die Ingenieure aber eine Kombination aus Transport von reinem Wasserstoff, Wasserstoffbeimischung ins Erdgasnetz und CO2-Abscheidung in Deutschland bevorzugen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen nahmen Dr. Daniel Benrath und Prof. Dr. Christian Pielow vom Institut für Berg- und Energierecht unter die Lupe. Alle Optionen wären laut den Wissenschaftlern mit juristischen Herausforderungen verbunden, wobei diese am leichtesten im Falle eines eigenständigen Wasserstoffnetzwerks zu meistern wären.

Hohes Akzeptanzpotential für Wasserstoff

Sabrina Glanz und Dr. Anna-Lena Schönauer vom Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Arbeit und Wirtschaft untersuchten sozialwissenschaftliche Aspekte der drei Fälle. Die geringste Akzeptanz in der Gesellschaft ermittelten sie für die erste Option, in der CO2 in Deutschland abgeschieden und zur Speicherung in die Niederlande transportiert werden soll. Wasserstoff als Zukunftstechnologie wurde grundsätzlich positiv gesehen.

Aus ökonomischer Perspektive betrachteten Franziska Hoffart und Prof. Dr. Michael Roos die drei Fälle, wobei sie politische, soziologische und juristische Einflüsse mitdachten und ein interdisziplinäres Gesamtfazit zogen. Über die Fächergrenzen hinweg betrachtet erwies sich die dritte Option, also der Aufbau eines eigenen Wasserstofftransportnetzes, als die machbarste Option, dicht gefolgt von der Wasserstoffbeimischung in bestehende Erdgasnetze. Lediglich die dezentrale CO2-Abscheidung in Deutschland, also Option eins, wäre deutlich schwieriger zu realisieren.