Siegen/Olpe. „Zahlreiche Händler verzeichnen nach wie vor herbe Umsatzrückgänge. Zwar steigt allmäh-lich die Konsumstimmung wieder. Dennoch ist von regelrechter Freude am Einkauf nur wenig zu spüren. Corona liegt wie Mehltau über dem heimischen Handel. Die äußerst kostspielige sechsmonatige Mehr-wertsteuersenkung ändert aus Sicht des heimischen Handels hieran wenig. Das Milliarden-Steuergeschenk verpufft. Auch zusätzliche verkaufsoffene Sonntage werden von einem Großteil der Ein-zelhändler derzeit nicht als konsumfördernd angesehen.“ Mit diesen Worten fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener die Ergebnisse einer aktuellen Blitzumfrage zur Lage des lokalen Einzelhandels zusammen, an der sich 104 Händler aus Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.
Acht von zehn Händlern berichten von einer zum Teil deutlich gesunkenen Shoppingfreude der Konsumen-ten. Insbesondere der in vielen Fällen innenstadtprägende Mode-Einzelhandel hat damit zu kämpfen. Na-hezu jedes Einzelhandelsunternehmen dieser Branche berichtet von einer gesunkenen Käuferstimmung. Die Verunsicherung bei den Konsumenten ist nach wie vor äußerst groß. Auf der einen Seite befindet sich ein Teil der Arbeitnehmer weiterhin in Kurzarbeit oder hat Sorge um den Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite ist die Angst vor Ansteckung nach wie vor erheblich. Klaus Gräbener: „Es ist mehr als bezeichnend, dass 58 % der Einzelhändler nicht davon ausgehen, dass bei einer Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen die Lust am Einkauf signifikant steigen wird. Corona muss offenbar erst aus den Köp-fen, ehe der Geldbeutel wieder wie früher gewohnt in den Geschäften geöffnet wird.“
Die überwältigende Mehrheit (75 %) der Einzelhändler aus Siegen-Wittgenstein und Olpe sieht in der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer keine wirksame Hilfe zur Belebung des Konsums. Nur 8 % bewer-ten sie positiv. IHK-Handelsreferent Marco Butz: „Die sechsmonatige Mehrwertsteuersenkung entpuppt sich immer mehr als Bürokratiemonster. Der Aufwand für die Händler ist enorm, der Ertrag in den meisten Fällen aber sehr übersichtlich. Zahlreiche Händler berichten uns von einem betriebswirtschaftlichen Total-ausfall. Für eine flächendeckende Belebung des Konsums ist sie einfach nicht geeignet.“ Nur einige weni-ge Einzelhandelsbranchen profitierten von dieser Maßnahme. Bei größeren Anschaffungen wie Küchen wirke sie durchaus kauffördernd. So erlebe der Handel mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen einen regelrechten Boom. Bei niedrigpreisigen Produkten wie Mode, Schreib- und Spielwaren oder bei den tägli-chen Konsumgütern spiele sie hingegen keine Rolle.
Zusätzliche verkaufsoffene Sonntage wenig hilfreich
Um den Konsum wieder anzukurbeln, sind zusätzliche verkaufsoffene Sonntage ein heiß diskutiertes The-ma. Da coronabedingt auf absehbare Zeit keine Feste oder Märkte stattfinden können, dürfen sonntags auch keine Geschäfte öffnen. Die NRW-Landesregierung wollte daher Sonntagsöffnungen auch ohne Ver-bindung zu Festen oder Märkten erlauben. Das Oberverwaltungsgericht hat dies in einem Eilverfahren jedoch untersagt. IHK-Konjunkturexperte Stephan Häger: „Verkaufsoffene Sonntage hätten eine Chance auf zusätzliche Umsätze sein können, wenn die Konsumstimmung wieder merklich anzöge. Dies ist für den Großteil der Unternehmen vor Ort offenbar jedoch nicht gegeben. Denn 61 % der Einzelhändler sehen in zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntagen keine geeignete Maßnahme, um den Konsum anzukurbeln. Auch scheinen die Einzelhändler die permanenten juristischen Auseinandersetzungen um dieses Thema inzwi-schen leid zu sein.“
Zweiter Shutdown würde zu zahlreichen Geschäftsaufgaben führen
Die derzeitige Lage im stationären Einzelhandel in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe ist nach wie vor angespannt. Zugleich wird eine sehr gespaltene Gesamteinschätzung deutlich. Zwar berichtet etwa ein Drittel der Händler von kaum gesunkenen oder sogar gestiegenen Umsätzen, bei annähernd einem Viertel sind aber der tägliche Umsatz und die tägliche Kundenzahl um mehr als 25 % gesunken. Etwa 10 % der Einzelhändler haben sogar nahezu keine Kunden oder keinen Umsatz. Marco Butz: „Der Großteil des stati-onären Einzelhandels sieht sich auf eine sehr harte Probe gestellt. Die durch den Shutdown verlorenen Umsätze sind in den meisten Fällen nicht mehr aufzuholen. Die finanzielle Belastungsgrenze ist bei vielen Händlern erreicht. Ein zweiter Shutdown wäre bei mehr als einem Drittel der lokalen Einzelhändler exis-tenzbedrohend.“ Flächendeckende Geschäftsschließungen und sich immer weiter leerende Innenstädte wären die wahrscheinliche Folge.
Investitionen in Online-Präsenz notwendig
Während der Online-Handel der große Gewinner der Corona-Krise ist, zählt der rein stationär ausgerichte-te Einzelhandel zumeist zu den Verlierern. Noch verhältnismäßig gut sind auch die Einzelhändler durch die Krise gekommen, die die digitalen Wege aktiv nutzen. Stephan Häger: „Im Ausbau der Online-Präsenz sehen die Unternehmen den größten Investitionsbedarf. Hierzu gibt es auch keine wirkliche Alternative, denn die fehlende Frequenz belastet die meisten Händler stark. Über die digitalen Kommunikationswege können sie mit ihren Kunden in Kontakt bleiben.“ 46 % wollten die Online-Präsenz ausbauen, 21 % sähen eine Investition in einen Online-Shop für dringend geboten und 20 % sähen den größten Investitionsbe-darf in der Anbindung an bestehende Online-Plattformen. Die Zukunft des Handels werde aber nicht nur im Digitalen gesehen. 42 % der Einzelhändler erachteten eine Investition in Ladengestaltung und Ambi-ente für äußerst wichtig. „Wir sehen als IHK die Befragungsergebnisse als Auftrag, mit zusätzlichen Initia-tiven den heimischen Handel weiter zu unterstützen, denn eines ist klar: Setzt ein regelrechtes Ladenster-ben ein, veröden unsere Kernorte und zugleich sinkt die gesamte Standortqualität. Dann wird es für alle in der Wirtschaft noch schwerer, Fach- und Führungskräfte in der Region zu halten oder für unseren Land-strich zu begeistern.“