IHK Aachen warnt: Brikettausstieg gefährdet Unternehmen

Der anstehende Strukturwandel bedroht aus Sicht der Industrie- und Handelskammer Aachen mittelfristig rund 1.500 qualifizierte Arbeitsplätze in der regionalen Papier- und Zuckerindustrie. Deshalb fordert die IHK von der Bundespolitik eine Anpassung des Kohleausstiegsgesetzes. Mit dem konkreten Vorschlag zur Einführung eines „Wärmeersatzbonus“ im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz bietet die IHK Aachen dem Bundeswirtschaftsminister und dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine Lösungsmöglichkeit an, um die bestehenden Arbeitsplätze in den leistungsstarken und wettbewerbsfähigen Industriebetrieben zu sichern.

Hintergrund der IHK-Initiative ist das im Zuge des Kohleausstiegs beschlossene Aus der Brikettförderung im Rheinischen Revier und die daraus resultierende Schließung der Förderfabrik Frechen-Wachtberg bis zum Jahresende 2022. Der Brikettausstieg wurde völlig überraschend im Januar dieses Jahres in den Entwurf des Ausstiegsfahrplans aufgenommen – mit fatalen Folgen für regionale Betriebe: Sie müssen ihre Anlagen nun äußerst kurzfristig auf Erdgas umstellen oder gar neue errichten. Bei zwei Unternehmen müssen zusätzlich Erdgasleitungen verlegt werden. Für die Firmen bedeutet das: unvorhergesehene Zusatzinvestitionen in Millionenhöhe.

„Die Unternehmen stehen unverschuldet und unvermittelt vor kaum lösbaren Problemen“, warnt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen. „Deshalb machen wir uns für die Betroffenen stark und fordern für die Betriebe und ihre Mitarbeiter bundespolitische Unterstützung. Ansonsten verlieren wir im Rheinischen Revier Arbeitsplätze und Wertschöpfung.“

Das NRW-Wirtschaftsministerium mit Professor Andreas Pinkwart an der Spitze unterstützt die Unternehmen bereits: So sollen die zu erwartenden langwierigen Genehmigungsverfahren beschleunigt und die notwendige Gasinfrastruktur schnell geschaffen werden. „Das Bundeswirtschaftsministerium muss jetzt für die notwendige finanzielle Entlastung sorgen“, fordert Raphael Jonas, Geschäftsführer Innovation, Umwelt, Standort bei der IHK Aachen. „Wir dürfen diese bislang sicheren und wertvollen Arbeitsplätze nicht als Kollateralschäden des Kohleausstiegs verlieren. Das wäre mit Blick auf den Strukturwandel fahrlässig – erst recht in der Corona-Folgezeit.“

Braunkohlebriketts werden zur Erzeugung von Wärme und Dampf für die in der Produktion erforderliche Energiezufuhr eingesetzt. „Durch das überraschende Ende der Brikettproduktion bis 2022 sind wir nun gezwungen, unser Energiekonzept für eine CO2-neutrale Zuckerherstellung kurzfristig zu erneuern. Das bedeutet, dass wir unseren festgelegten Ausstiegspfad aus fossilen Energieträgern auf Basis der neuen Bedingungen anpassen und kurzfristig erhebliche Investitionsmittel aufwenden müssen, um auf eine Brückentechnologie mit der Nutzung von Erdgas zu wechseln“, sagt Michael Schaupp, Geschäftsführer von Pfeifer & Langen. „Dadurch verschiebt sich unser eigentlicher Pfad um mehrere Jahre. Zusätzlich beansprucht diese Maßnahme erhebliche interne Ressourcen für die Planung der technischen Umsetzung und für die notwendigen Genehmigungen.“

In den betroffenen Zuckerfabriken werden Zuckerrüben aus dem gesamten Rheinland und den angrenzenden Regionen verarbeitet. Den rund 300 direkt Beschäftigten sind rund 2.500 indirekt Beschäftigte von Zulieferbetrieben, aus der Landwirtschaft oder dem Ernährungsgewerbe hinzuzurechnen.

Auch für hiesige Papierfabriken – in denen rund 1.200 Menschen arbeiten – würde der Brikettausstieg erhebliche Probleme mit sich bringen. Die Firmen sind an ihren meist ländlichen Standorten wichtige Arbeitgeber. Rechnet man die Betriebe entlang ihrer vorgelagerten Wertschöpfungskette hinzu, sind in NRW mehr als 2.000 weitere Beschäftigte indirekt betroffen.

„Wir zählen zu den größten Arbeitgebern in Kreuzau. Grundsätzlich tragen wir die Pläne für den Kohleausstieg im Rahmen Europäischer Richtlinien mit und haben als Konzern selbst das Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu produzieren“, betont Gero Kronen, Produktionsleiter der Papierfabrik Metsä Tissue GmbH. „Der Beschluss zur Schließung der Brikettanlage führt sowohl zu einem zeitlichen Engpass als auch zu einem kurzfristigen Investitionszwang. Beides stellt uns or eine große wirtschaftliche Herausforderung. Der damit verbundene Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich könnte zumindest teilweise durch einen Wärmeersatzbonus kompensiert werden.“

Jonas betont: „Es geht nicht nur um die Zukunft einiger Betriebe, sondern um eine drohende strukturelle Verwerfung – mit fatalen Folgen über unsere Region hinaus. Noch kann die Politik durch entschlossenes Handeln gegensteuern. Der von uns vorgeschlagene Wärmeersatzbonus ist eine Lösung.“