IHK-Konjunkturbericht: Lage schlecht wie 2009 – Erholung frühestens 2021

„Durch die Corona-Pandemie hat sich die Geschäftslage der Unternehmen in der Region schlagartig und deutlich verschlechtert. Die Erwartungen sind pessimistisch, die Beschäftigungspläne deuten auf einen spürbaren Personalabbau hin, und die Investitionspläne werden verbreitet zusammengestrichen“, mit diesen Worten fasst Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, die ernüchternden Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein bei knapp 800 Betrieben mit rund 75.000 Beschäftigten in den ersten beiden Juni-Wochen zusammen. „Der Einbruch ist durchaus mit der Wirtschaftskrise 2009 vergleichbar“, stellt Berghausen fest.
Aktuell melden nur noch 18 Prozent der Betriebe eine gute Geschäftslage, 45 Prozent bezeichnen ihre Situation als schlecht. Der Lageindikator – die Differenz des Anteils der „gut“- und der „schlecht“-Antworten – ist mit einem Minus von 27 Punkten so schlecht wie zuletzt im Spätsommer 2009. „Die Erwartungen der Betriebe sind ebenfalls pessimistisch“, ergänzt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. Nur 18 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten, 48 Prozent hingegen mit einer weiteren Verschlechterung. „Wie tiefgreifend und anhaltend die Wirtschaftskrise ist, lässt sich noch nicht abschätzen“, erklärt Berghausen. „Und ob wir die Talsohle bereits erreicht haben, steht ebenfalls in den Sternen“. Sorgen bereitet den IHK-Hauptgeschäftsführern, dass die Lagebewertung der Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern noch deutlich schlechter ausfällt als die der Gesamtwirtschaft: Bei ihnen liegt der Geschäftslagesaldo sogar bei minus 59 Punkten.
Insbesondere der Export leidet momentan. „Der Industrie sind die Aufträge aus dem Ausland weggebrochen“, analysiert Steinmetz. „75 Prozent der exportorientierten Industriebetriebe berichten über einen Rückgang der Bestellungen aus dem Ausland.“ Zudem sehen zwei Drittel der Exportwirtschaft in der Auslandsnachfrage ein wesentliches Geschäftsrisiko. Insbesondere in wichtigen Schwellenländern (zum Beispiel Brasilien und Indien) sowie in den Vereinigten Staaten beeinflusst die Pandemie das Wirtschaftsgeschehen massiv. Das hat Konsequenzen für die Industrie, aber auch für den Großhandel in der Region. „Viele Staaten haben mit Abschottung auf die Krise reagiert. Das ist Gift für eine globalisierte Wirtschaft, die auf ihre internationalen Lieferketten angewiesen ist“, ergänzt Berghausen. Bereits kurz nach Ausbruch der Pandemie in China und noch bevor diese Europa erreicht habe, hätten Unternehmen unter gestörten Lieferketten gelitten. Das Problem sei nach wie vor ungelöst. „Mehr als jeder fünfte Industriebetrieb in der Region ist durch Einschränkungen auf Lieferantenseite in seiner Produktion betroffen“, so Berghausen. „Folglich liegt die Kapazitätsauslastung der Industrie mit nur etwas mehr als 70 Prozent auf dem niedrigsten von uns je gemessenen Wert.“ Das führt in Folge dazu, dass Investitionen massiv zusammengestrichen werden und auch der Arbeitsmarkt in Mitleidenschaft gezogen wird.
So rechnet ein Drittel der Betriebe damit, ihre Belegschaft in den kommenden zwölf Monaten reduzieren zu müssen, nur jeder zehnte will aufstocken. „Im Vergleich zu vorherigen Wirtschaftskrisen zeigt sich allerdings, dass mehr Unternehmen ihren Mitarbeiterstamm halten wollen. Dabei hilft ganz klar das Instrument der Kurzarbeit“, so Steinmetz. Hatten 40 bis 50 Prozent der Unternehmen bei früheren Befragungen angegeben, dass der Fachkräftemangel ihr größtes Konjunkturrisiko sei, so melden dies aktuell nur noch 20 Prozent.
Wann und wie stark sich die Wirtschaftslage erholen wird, hängt neben dem Verlauf der Pandemie auch davon ab, wie schnell Konsumenten und Unternehmen wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken, so die IHK-Hautgeschäftsführer. Das Konjunkturpaket könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten, wenngleich – trotz seines beträchtlichen Umfangs –  keine Wunder zu erwarten seien. „Eine Rückkehr auf Vorkrisenniveau noch in diesem Jahr erscheint unwahrscheinlich“, so Berghausen. Dieses Szenario erwartet nämlich nur gut ein Drittel der Betriebe. Der größte Teil der Befragten geht davon aus, dass sich die Wirtschaft erst später erholt. Immerhin hoffen rund 33 Prozent auf ein Anziehen der Konjunktur im nächsten Jahr, während zehn Prozent glauben, das Vorkrisenniveau erst nach 2021 wieder erreichen zu können.
Neben der Industrie ist auch die Geschäftslage im Handel eingebrochen. Insbesondere die stationären Einzelhändler, von denen die meisten ihre Geschäfte fast fünf Wochen schließen mussten, melden einen Einbruch der Geschäftslage. „Die Stimmung im Einzelhandel ist so schlecht wie im Jahr 2004. Damals hatte Deutschland ein massives Problem auf dem Arbeitsmarkt“, erklärt dazu Berghausen. Nur Bau- und Gartenmärkte sowie Lebensmittelhändler erfreuen sich einer ungebrochenen Nachfrage. Die Großhändler können sich der schlechten Lage ihrer Kunden ebenfalls nicht entziehen. „Sowohl der industrie- als auch der konsumnahe Großhandel melden einen Einbruch der Geschäftslage und pessimistische Erwartungen“.
Bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen ist der Geschäftslagesaldo ebenfalls negativ, aber mit einem Wert von minus 21 Punkten etwas günstiger als in der Gesamtwirtschaft. „Allerdings sind ihre Erwartungen deutlich schlechter, da sie größtenteils auf die nun stockenden Aufträge aus der Industrie angewiesen sind. Das deutet darauf hin, dass auch die Dienstleister die Talsohle noch nicht erreicht haben“, so Steinmetz. Nur die Bauwirtschaft berichtet noch von einer positiven Geschäftslage. „Fraglich ist allerdings, ob und inwieweit es der Baubranche gelingt, sich auch längerfristig dem allgemeinen Abwärtstrend zu entziehen“, so Berghausen.
Trotz aller besorgniserregenden Zahlen werben beide IHK-Hauptgeschäftsführer abschließend für Zuversicht: „Wir sind letztlich auch aus der letzten Finanzkrise gestärkt hervorgekommen. Damit das erneut gelingt, haben Bundes- und Landesregierung ihr Möglichstes getan. Das milliardenschwere Konjunkturpaket weist  in die richtige Richtung, mit seiner Mischung aus kurzfristigen Impulsen und  Zukunftsinvestitionen.“