28,9 Milliarden Euro Umsatz (exklusive Transfererlöse) hat der europäische Fußballmarkt in der Saison 2018/19 erwirtschaftet, das ist ein neuer Rekord. Doch zum ersten Mal in der mittlerweile 29 Ausgaben umfassenden Geschichte des Annual Review of Football Finance (ARFF) von Deloitte zeichnet sich aktuell ab, dass im nächsten ARFF voraussichtlich kein neuer Rekordumsatz verkündet werden wird. Das aktuelle Ranking der finanzstärksten Topligen des internationalen Spitzenfußballs bezieht sich auf die Saison 2018/19 und ist noch nicht von den Einschnitten der globalen COVID-19-Pandemie beeinflusst. „Dem Fußball stehen, wie so vielen anderen Wirtschaftsbereichen, herausfordernde Zeiten bevor“, bestätigt Stefan Ludwig, Partner und Leiter der Sport Business Gruppe bei Deloitte. In nahezu allen europäischen Ligen sowie den jeweiligen Pokalwettbewerben wurde der Spielbetrieb auf zunächst unbestimmte Zeit eingestellt. Die Bundesliga war die erste Liga, welche auf Basis von Geisterspielen und einem umfangreichen Hygienekonzept Mitte Mai weitermachen konnte. Auch die Europameisterschaft im Sommer 2020 wurde um ein Jahr verschoben. Der Fußball, sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich, steht vor immensen und teilweise existenzbedrohenden Herausforderungen.
„Eine Schlüsselrolle kommt dabei auch den Fans zu, denn sie sind letztendlich das Rückgrat des wirtschaftlichen Erfolgs“, erläutert Stefan Ludwig. „Insbesondere ihre Begeisterung macht den Spitzenfußball zu einem attraktiven Produkt für Medien und Wirtschaftspartner aus aller Welt. Die Phase der Geisterspiele wird voraussichtlich nochmal besonders deutlich machen, wie wichtig die Atmosphäre in den Stadien für die Spieler, aber auch für die TV-Zuschauer ist. Die Verbände, Ligen und Clubs stehen derzeit vor der Herausforderung einerseits den gebotenen Schutzmaßnahmen gerecht zu werden und gleichzeitig emotionale Fußballerlebnisse unter diesen besonderen Bedingungen zu schaffen.“
In der hier im Mittelpunkt stehenden Saison 2018/19 waren erneut vor allem die „Big Five“-Ligen aus England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich Wachstumstreiber und für 59 Prozent (ca. 17 Milliarden Euro) des Umsatzes in Europas Fußballmarkt verantwortlich. Spitzenreiter unter den Topligen bleibt die Premier League mit 5,9 Milliarden Euro Gesamtumsatz 2018/19 (exklusive Transfererlöse). Die sieben Prozent Umsatzwachstum im Vergleich zur Vorsaison (rund 411 Millionen Euro) gehen hauptsächlich auf deutliche Zuwächse bei den kommerziellen Erlösen (+ neun Prozent) und die gestiegenen Ausschüttungen aus den UEFA-Wettbewerben zurück.
Im Kampf um Platz zwei der umsatzstärksten europäischen Ligen machen es die spanische Primera División und die deutsche Bundesliga immer wieder spannend. Nachdem in der Vorsaison die Bundesliga die Nase vorn hatte, konnte sich 2018/19 die spanische La Liga mit einem Gesamtumsatz von rund 3,4 Milliarden Euro (jeweils exklusive Transfererlöse) knapp vor der Bundesliga mit 3,3 Milliarden Euro durchsetzen. Wichtigste Treiber der zehn Prozent Gesamtwachstum von La Liga sind weiterhin die Einnahmen durch die Medienrechte. Bei den kommerziellen Erlösen gibt es signifikante Unterschiede innerhalb der Liga. In diesem Bereich verzeichnet La Liga ein Plus von sieben Prozent – für diese Steigerung ist größtenteils (88 Prozent) der FC Barcelona verantwortlich. Auf den Plätzen vier und fünf landen erneut die italienische Serie A mit einem Gesamtumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro und die französische Ligue 1 mit rund 1,9 Milliarden Euro (jeweils exklusive Transfererlöse). Beide Ligen konnten in allen betrachteten Umsatzkategorien zulegen und kamen so auf ein Gesamtwachstum von elf (Serie A) und zwölf Prozent (Ligue 1). Während auch in Italien und Frankreich die Erlöse aus Medienrechten der wichtigste Wirtschaftsfaktor für die Ligen sind, ist bemerkenswert, dass – ganz ähnlich wie bei La Liga – das Wachstum sowohl der kommerziellen als auch der Spieltagerlöse vor allem auf einzelne Topclubs zurückgeht: In der Serie A ist der wirtschaftliche Ligaprimus Juventus Turin, in der Ligue 1 Paris Saint-Germain.
Bundesliga profitiert von Erlösen aus den Medienrechten
Im Vergleich zur Vorsaison sorgte in der Bundesliga vor allem die veränderte Zusammensetzung der Liga mit den Auf- und Absteigern für einen leichten Rückgang bei den kommerziellen sowie den Spieltagerlösen. Trotzdem verzeichnete die deutsche Topliga ein beachtliches Umsatzwachstum von insgesamt 177 Millionen Euro, was einem Plus von sechs Prozent entspricht. Dahinter stecken vor allem die mit 19 Prozent deutlich gestiegenen Erlöse aus Medienrechten. „Die Verhandlungen für den nächsten Medienrechtezyklus 2021/22 bis 2024/25 versprechen spannend zu werden“, sagt Kim Lachmann, Senior Manager der Sport Business Gruppe von Deloitte. „Die im Rahmen der Vergabe geregelte co-exklusive Verwertung der Live-Rechte Pakete für TV, Web und Mobile-TV unterstreicht die weiter wachsende Bedeutung von digitale Kanälen.“
Der Personalaufwand in der Bundesligasaison 2018/19 ist um sieben Prozent gestiegen. Trotz der höheren Gehaltskosten steigt die Personalaufwandquote im Vorjahresvergleich nur leicht (+ ein Prozent) auf 54 Prozent. Auch wenn das für die Bundesliga der höchste Wert seit der Saison 2009/10 ist, kam in den vergangenen 20 Jahren keine andere „Big Five“-Liga auf ein vergleichbares Level.
Frauenfußball als Innovationsmotor?
Bemerkenswerte Entwicklungen zeichnen sich auch im Frauenfußball ab: Die WM 2019 in Frankreich hat wie ein Katalysator für das ohnehin steigende Interesse an Frauenfußball gewirkt. In den Stadien fieberten im Durchschnitt 21.756 Zuschauer pro Spiel mit. Im TV verfolgten weltweit durchschnittlich rund 17 Millionen Menschen die Spiele – mehr als doppelt so viele wie bei der WM in Kanada 2015. Trotz dieser Entwicklung sowie einer langjährigen Tradition – der Deutsche Frauenfußball feierte in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum – steckt in diesem Bereich noch viel Entwicklungspotenzial.
Neue Ideen und Konzepte, wie beispielsweise eine neue Wettkampfstruktur auf nationaler und internationaler Ebene, können hier oftmals noch einfacher eingeführt werden als bei den männlichen Kollegen, da dort logistische Hürden wie randvolle Spielpläne, Innovationen oftmals ausbremsen. Für kommerzielle Partner bietet der Frauenfußball ebenfalls attraktive Möglichkeiten. Auch die Übertragung des Restarts der Frauen-Bundesliga im Mai 2020 in weltweit 16 Länder (Mittelamerika, Skandinavien, Großbritannien) unterstreicht dieses Potenzial. Die erfolgreiche WM 2019 stimmt im Hinblick auf die kommenden Großevents im Frauenfußball – die olympischen Spiele 2021, die EM 2022 und die WM 2023 – jedenfalls optimistisch.
Digital zukunftsfit werden
„Innovation ist gerade überall im Spitzenfußball gefragt“, zieht Stefan Ludwig Bilanz. „Auch wenn die Sehnsucht groß ist, wird es voraussichtlich noch dauern bis wir zu unserem gewohnten Fußball-Alltag zurückkehren können. Die Ligen und Clubs sollten nun die Chance ergreifen, stärker auf digitalen Austausch mit den Fans zu setzen. Das tröstet nicht nur die heimischen Fans über Geisterspiele hinweg, sondern schafft auch Möglichkeiten, internationale Märkte zu erschließen.“