„3 Fragen an….“ Dr. Günter Krings MdB (Mönchengladbach) – Vorsitzender der CDU-Landesgruppe NRW, Parl. Staatssekretär im Bundesinnenministerium
MRZ: Die Bewältigung der Corona-Pandemie bedeutet einen Kraftakt für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Wir steuern auf die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit zu. Ist das, was zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen getan wurde schon ausreichend?
Dr. Krings: Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, hat nicht nur Familien und Arbeitnehmer vor riesige Probleme gestellt, sondern ist auch eine dramatische Gefährdung des großen wirtschaftlichen Erfolgs der letzten Jahre. Die Pandemie geht nicht einfach weg, wenn wir sie nicht ernst nehmen. Dass wir in Deutschland bislang glücklicherweise unter 10.000 Corona-Toten haben, haben wir nicht zuletzt den drastischen Maßnahmen zu verdanken, die unser öffentliches Leben und damit auch weite Teile unserer Wirtschaft heruntergefahren haben. Das ist das klassische „Präventions-Paradox“: wenn die Massnahmen der Politik und die Vernunft der Menschen wirkz, meinen anschliessend viele, das wäre alles gar nicht nötig gewesen.
Neben weiteren Vorsichtsmaßnahmen, um eine zweite Welle möglichst zu verhindern, geht es jetzt aber darum, die Wirtschaft wieder flott zu machen. Dafür sind wir im Bundestag auch bereit, kurzfristig wieder neue Schulden zu machen. In eine derartig große Krise hineinzusparen wäre grob fahrlässig. In den Geschichtsbüchern kann man nachlesen, dass am Ende radikale politische Kräfte die Nutzniesser wären. Deshalb war und ist es richtig, mit kurzfristigenMaßnahmen unsere Wirtschaft anzukurbeln und gefährdete Unternehmen über Wasser zu halten. Dazu gehörten am Beginn beispielsweise die Erweiterungen beim Kurzarbeitergeld, Soforthilfen oder der erleichterte Zugang zu KfW-Krediten. Diesen Weg setzen wir etwa mit der jüngst beschlossenen zeitweisen Umsatzsteuer-Senkung fort. Noch wichtiger ist aber, dass wir die gegenwärtige Krise nutzen, um auf die Trends und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nachhaltig zu antworten. Dazu gehören die Anfang Juni beschlossenen Investitionen in die Digitalisierung gerade auch der Verwaltung, in neue Wachstumsbranchen wie den Wasserstoff und die Quantenphysik und in die Bekämpfung der Erderwärmung.
MRZ: In unserer Region bleibt der Kohleausstieg ein wichtiges Thema. Der Entwurf des Austiegsgesetzes sieht vor, dass die Kohleverstromung in Deutschland spätestens bis zum Jahr 2038 beendet wird und die letzten Braunkohlekraftwerke Ende 2038 stillgelegt werden. Ebenso wurde festgeschrieben, dass das letzte Steinkohlekraftwerk 2033 stillgelegt werden muss. Was verlieren wir und was wird für unsere Region zur wirtschaftlichen Kompensation getan?
Dr. Krings: Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2038 ist beschlossene Sache. Es ist ein grosser Beitrag Deutschlands zum Klimaschutz. Aber wir haben eine starke strukturpolitische Flankierung für das rheinische Revieren durchgesetzt. Durch den Ausstieg entfallen im Rheinischen Revier bis 2038 rund 9.000 Arbeitsplätze in der Braunkohlewirtschaft. Rund 6.000 weitere Arbeitsplätze sind indirekt in ihrem Bestand bedroht. Die Energiepreisentwicklung macht zudem den Betriebe der energieintensiven Industrie in den nächsten Jahrzehnten zu schaffen. In den Revieren stellen die Sektoren Bergbau und Energie wesentliche industrielle Kerne dar, die wiederum enge Verflechtungen zu weiteren Schlüsselbranchen wie zum Beispiel der Chemie aufweisen.
Wir werden mit den Maßnahmen im Strukturwandel-Gesetz nun auch unserer rheinischen Braunkohleregion klare Perspektiven geben, die über das Jahr 2038 hinaus reichen. Dabei gilt es, bereits vorhandene Stärken weiter zu fördern und zur Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur beizutragen. Die Ansiedlung neuer Forschungsinstitute sowie die Schaffung qualitativ hochwertiger Industrie- und Gewerbeflächen sind zudem wichtige strukturpolitische Maßnahmen.
MRZ: Und wie soll das finanziell gestemmt werden und müssen die vorliegenden Pläne nicht noch verbessert werden?
Dr. Krings: Ich setze mich dafür ein, dass die für den Strukturwandel erforderlichen Haushaltsmittel bis 2038 in vollem Umfang als zusätzliche Verstärkungsmittel im Rahmen eines Sondervermögens oder in einer vergleichbar sicheren Form bereit zu stellen. Alle Projekte aus dem Strukturstärkungsgesetz können dann aus dem Sondervermögen finanziert werden und stehen damit nicht in Konkurrenz zu anderen Projekten aus dem Bundeshaushalt. Die Kompensation von Wirtschaftskraft, Arbeitsplätzen und Wertschöpfungsketten macht natürlich privatwirtschaftliches Engagement unabdingbar. Die Förderung privatwirtschaftlicher Aktivitäten ist deshalb wichtig. Hierzu zählen unter anderem auch die Förderung von Unternehmensübernahmen und Neugründungen, sowie Start-ups im direkten Umfeld der hiesigen Hochschuleinrichtungen. Ich unterstütze die Forderungen aus den Kommunen nach einer echten Planungsbeschleunigung. Damit der Strukturwandel in den Revieren schnell greifen kann, wäre eine zeitlich beschränkte Sonderplanungszone im Kernrevier viel wert.