„21 Prozent der Unternehmen sind von der Insolvenz bedroht, und ein Drittel der Betriebe plant, ihre Beschäftigtenzahlen zu reduzieren“

„3 Fragen an…“ Jürgen Steinmetz – Hauptgeschäftsführer IHK Mittlerer Niederrhein

MRZ: Herr Steinmetz, Sie sind Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein (Kammerbezirk Krefeld, Mönchengladbach, Rhein-Kreis Neuss und Kreis Viersen), die rund 78.000 Unternehmen über 400.000 Beschäftigten vertritt. Wie haben Sie bisher die Corona-Zeit durchlebt?

Steinmetz: Wir haben uns so schnell es möglich war auf die neue Situation eingestellt. Wir haben eine Corona-Hotline ins Leben gerufen, um den betroffenen Unternehmen mit Beratung zur Seite zu stehen. Zeitweise waren fast 40 Kollegen in der Hotline tätig. Sie haben bis jetzt mehr als 9000 Beratungen durchgeführt. Viele rechtliche Fragen waren dabei, aber auch Finanzierungsfragen, Fragen nach Soforthilfen, Hygienekonzepten oder Vorgaben der Behörden. Wir haben auch unsere Veranstaltungsformate angepasst und Schulungen als Webinare veranstaltet. Inzwischen haben wir unseren Prüfungs- und Weiterbildungsbetrieb in unseren Häusern wieder aufgenommen – natürlich mit einem umfassenden Hygienekonzept.

MRZ: Da Sie „hautnah“ an den Unternehmen sind. Wird es am linken Niederrhein zu einem Firmensterben bzw. extreme Steigerung der Arbeitslosenzahlen kommen?

Steinmetz: 21 Prozent der Unternehmen sind von der Insolvenz bedroht, und ein Drittel der Betriebe plant, ihre Beschäftigtenzahlen zu reduzieren. Das war ein Ergebnis der letzten Blitzumfrage in unserem IHK-Bezirk. Mit den Soforthilfen und den KfW-Krediten zu günstigen Konditionen sowie dem Instrument des Kurzarbeitergeldes wird einiges abgefedert. Diese Instrumente werden aber nicht verhindern können, dass wir steigende Insolvenz- und Arbeitslosenzahlen erleben werden.

MRZ: Hand auf Herz, auch wenn noch keiner genau weiß, wie lange „Corona“ uns beschäftigt und allen voran auch das Wirtschaftsleben lähmt. Wie lange wird der Niederrhein brauchen, um wieder zu dem Elan der letzten Jahre zu kommen?

Steinmetz: Das ist derzeit schwer einzuschätzen. Damit wir die Krise möglichst schnell überwinden, brauchen wir ein Konjunkturprogramm, das dazu beiträgt, dass die Wirtschaft schnell wieder in Schwung kommt. Wir brauchen Investitionen in Digitalisierung und Bildung, einen Abbau der Bürokratie und auch verbesserte Möglichkeiten degressiver Abschreibungen, um Anreize der Unternehmen für Investitionen zu erhöhen. Die Kommunen sollten den Handel und die Gastronomie – zwei besonders betroffene Branchen – vor Ort unterstützen. Dazu können die Städte und Gemeinden beispielsweise die Sondernutzungsgebühren langfristig reduzieren oder bei der Initiierung von Stadtfesten und verkaufsoffenen Sonntagen dem Handel unbürokratisch zur Seite stehen.

Foto: IHK Mittlerer Niederrhein