Wissenschaftler weltweit arbeiten an memristiven Bauelementen, die mit extrem wenig Strom auskommen und sich ähnlich wie Nervenzellen im Gehirn verhalten. Forscher der Jülich Aachen Research Alliance (JARA) und des deutschen Technologiekonzerns Heraeus haben nun herausgefunden, wie sich die Schalteigenschaften dieser Elemente planmäßig beeinflussen lassen. Entscheidend sind kleinste stoffliche Unterschiede, so gering, dass sie von der Fachwelt bislang übersehen wurden. Die Design-Vorgaben der Forscher könnten den Weg ebnen für zahlreiche Anwendungen, etwa für energieeffiziente, nicht-flüchtige Speicher oder neuro-inspirierte Computer.
Memristoren gelten als vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Bauelementen. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften wird ihre Entwicklung von vielen Unternehmen und Forschungseinrichtungen weltweit verfolgt. Der japanische Elektronikkonzern NEC hat bereits 2017 erste Prototypen in Satelliten eingebaut. Viele andere große Unternehmen wie Hewlett Packard, Intel, IBM und Samsung arbeiten daran, neuartige Rechner- und Speichertypen mit memristiven Elementen auf den Markt zu bringen.
Diese sind im Grunde nichts anderes als ein „Widerstand mit Gedächtnis“, der sich zwischen einem niedrigen und einem hohen Wert hin und her schalten lässt. Die Bauelemente sind damit prinzipiell lernfähig, ähnlich wie eine Synapse des biologischen Nervensystems. „Memristive Elemente gelten als ideale Kandidaten für neuro-inspirierte Computer nach dem Vorbild des Gehirns, die im Zusammenhang mit Deep Learning und künstlicher Intelligenz großes Interesse wecken“, erläutert Dr. Ilia Valov vom Peter Grünberg Institut (PGI-7) des Forschungszentrums Jülich.
Er und sein Team beschreiben in der aktuellen Ausgabe der Open-Access-Zeitschrift Science Advances, wie sich die Schalteigenschaften memristiver Bauelemente gezielt beeinflussen lassen. Entscheidender Faktor ist demnach die Reinheit der zentralen Oxidschicht. „Je nachdem, ob man ein 99,999999-prozentig reines Material verwendet, ein Fremdatom in zehn Millionen Atome des reinen Materials einbringt oder ein Fremdatom in hundert Atome, unterscheiden sich die Eigenschaften der memristiven Elemente sehr stark“, sagt Valov.
Dieser Effekt war von der Fachwelt bislang übersehen worden. Er lässt sich gezielt für das Design memristiver Systeme nutzen, ähnlich einer Dotierung von Halbleitern in der Informationstechnologie. „Durch die Einbringung von Fremdatomen beeinflussen wir die Löslichkeit und Transporteigenschaften der dünnen Oxidschichten“, erklärt Dr. Christian Neumann vom Technologiekonzern Heraeus. Seit der ersten Idee im Jahr 2015 begleitet er das Projekt mit seiner Materialexpertise.
Fot: Dr. Ilia Valov (vorne links) im Oxidcluster am Forschungszentrum Jülich, in dem Experimente für die aktuelle Arbeit durchgeführt wurden. Im Hintergrund: Michael Lübben (Mitte) und Prof. Rainer Waser (rechts) Copyright: RWTH Aachen / Peter Winandy