IHK-Empfang in Bochum: „quaz.ruhr“ wird fortgesetzt

Bochum. Berlin oder Bochum? Berlin und Bochum! Für NRW-Integrationsminister Dr. Joachim Stamp, auch NRW-Landesvorsitzender der Freien Demokraten, wurde der Freitag zum Wettlauf gegen die Zeit. Mittags (endlos anmutende) Sondersitzung des FDP-Bundesvorstandes in der Hauptstadt – abends IHK-Jahresempfang im RuhrCongress Bochum. Zur Freude der mehr als 700 Gäste gewann Stamp diesen Wettlauf – und hatte eine gute Nachricht im Rucksack …

Es sei ihm egal, „wie wir das zusammenkratzen und wie wir das organisieren, aber das quaz wird fortgesetzt“. Und der Minister setzte noch einen drauf: Man sollte „gemeinsam se-hen, dass quaz nicht nur hier gesichert wird, sondern dass wir es tatsächlich zur Blaupause machen auch für andere Standorte“. IHK-Hauptgeschäftsführer Eric Weik, der die Idee des Qualifizierungszentrums für Zugewanderte vor Jahren ins Rollen gebracht hatte, meinte lächelnd: „Wir nehmen die Förderzusage für quaz.ruhr gerne entgegen …“

Stamp hatte vor einigen Wochen das Sprach- und Qualifizie-rungszentrum in der früheren Opel-Lehrwerkstatt besucht und sich begeistert gezeigt. „Da findet genau das statt, was passieren muss“, formulierte er auf dem IHK-Jahresempfang – und meinte damit die Sprach- und Qualifizierungsangebote, die individuell auf das Sprachniveau und die Talente der Zugewanderten zugeschnitten werden. Problem: Die Finanzierung ist bislang nur bis Mitte dieses Jahres gesichert, das bisherige Sprachkursangebot war nur durch eine Förderung des Landes in Höhe von zwei Millionen Euro in drei Jahren möglich geworden. Seit dem 7. Februar können alle Beteiligten nun hoffen, dass sich das Land nicht zurückzieht.

Ebenso klare Worte hatte Stamp zu Beginn seiner Rede zum politischen Beben gefunden, das durch die Wahl seines Parteifreundes Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD ausgelöst worden war. Stamp wörtlich: „Es kann und darf niemals einen liberalen Ministerpräsidenten geben, der durch die Stimmen von Rechtsextremisten ins Amt gekommen ist.“ Es sei ein „kapitaler Fehler“ gewesen, die Wahl überhaupt anzunehmen. Die Demokratie stehe vor großen Herausforderungen. „Wir leben nicht in Weimarer Verhältnissen. Aber wir dürfen es auch nie wieder zulassen, dass es zu Weimarer Verhältnissen kommen kann.“ Stamp – bekannt für klare Worte – hatte klare Worte gefunden … Am Samstag trat Kemmerich mit sofortiger Wirkung vom Amt des Ministerpräsidenten zurück.

Ebenfalls bekannt klare Worte hatte zuvor IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé in seiner Begrüßungsrede gewählt – und dies zu einer ganzen Reihe von Themen. Beispiele: Mit Verweis auf die vom Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr, Rasmus C. Beck, Anfang des Jahres angesto-ßene Debatte über eine deutliche Senkung der Gewerbe-steuern, stellte Neuhaus-Galladé fest: „Die Gewerbesteuern und die Grundsteuer B in unseren Städten sind zu hoch. Und gerade in Witten und Hattingen sind sie besonders hoch.“ Er wünsche sich „ausdrücklich den Mut der politisch Verantwortlichen in den Räten der Städte, über den Tellerrand hinweg zu schauen und sich zu fragen, wie lange sich die Unternehmen das Drehen an der Steuerschraube noch gefallen lassen“, so der IHK-Präsident. Wörtlich: „Es ist sicherlich eine Überlegung wert, ob nicht das Gewinnen attraktiver Unternehmen für die Gewerbesteuerentwicklung nachhaltiger ist als die übliche Erhöhung dieser Steuern, um Haushaltslücken mehr schlecht als recht zu schließen.“

Das Ruhrgebiet, so Neuhaus-Galladé, sei „nicht im Wettbe-werb mit sich selbst. Wer von Metropole spricht, aber gleich-zeitig Nachbarschafts-Rivalitäten nicht abstellt, kann sich die Metropole auch schenken.“ Die Metropole Ruhr sei im An-siedlungswettbewerb mit Südwestfalen, Ostwestfalen-Lippe, Baden-Württemberg und Bayern. „Diesen Wettbewerb wollen wir gewinnen. Und wenn wir das tun, wird die Gewerbesteuer fließen.“

Den Städten im IHK-Bezirk bescheinigte der IHK-Präsident, dass es „voran geht“. Das gelte insbesondere für die Entwicklung auf dem ehemaligen Opel-Areal in Bochum – auf „Mark 51°7“ gelinge die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, die für die Entwicklung der Region immer ent-scheidender werde. In Witten eröffne die Entwicklung der Brachfläche „Drei Könige“ beste Chancen für neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze. Auf die Erweiterung der Privaten Universität Wit-ten/Herdecke freue er sich persönlich besonders. Hattingen bekomme durch die Übertragung der Kanalnutzungsrechte an den Ruhrverband neuen finanziellen Spielraum. Aber besonders im Blick des IHK-Präsidenten: Herne …

„Die Idee einer ,International Technology World‘ auf dem Gelände der früheren Zeche Blumenthal ist nicht mehr und nicht weniger als ein Quantensprung für Herne. Es ist der Auf-bruch in eine Welt, die viele Herne gar nicht zutrauen. Die Idee dieser Vernetzung von Arbeit und Wissenschaft katapultiert Herne auf die Landkarte der zukunftsfähigen Städte. Ich wünsche der Politik in Herne den Mut, eine Dekade voraus-zudenken und diese Chance auf Zukunft nicht zu vertun.“

Besorgt äußerte sich Neuhaus-Galladé in Bezug auf den Umgang vieler Unternehmen mit dem Mega-Trend Digitalisierung. Die Digitalisierung werde alles verändern. „Zukunft heißt: Industrie 4.0, Wirtschaft 4.0, Arbeit 4.0 oder einfach: Welt 4.0.“ Wenn es stimme, dass nur etwa jedes achte Un-ternehmen für die Fort- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter sorge, „dann tun wir als Unternehmer viel zu wenig, um unsere Mitarbeiter auf den digitalen Wandel und die Arbeitswelt 4.0 vorzubereiten.“ Nur, so Neuhaus-Galladé weiter, „wenn unsere Mitarbeiter nicht fit sind, frage ich, wie können es dann unsere Unternehmen sein?“

Der IHK-Präsident nutzte seine Rede dazu, seinen Appell „Ausbildung ist absolute Unternehmerpflicht“, durch einen weiteren Appell zu ergänzen: „Für mich ist auch die Fortbildung unserer Mitarbeiter absolute Unternehmerpflicht.“ Zum Ende seiner Rede war es dem IHK-Präsidenten ein An-liegen, danke zu sagen – und zwar an die Adresse aller Mitglieder der IHK-Prüfungsausschüsse, die alle zum Jahresempfang eingeladen worden waren. „Ich sage aus vollem Herzen vielen Dank an alle, die in den letzten Jahren als ehrenamtliche Prüfer aktiv waren und jetzt altersbedingt ausge-schieden sind. Ich sage vielen Dank an alle, die sich weiterhin auch in den nächsten fünf Jahren als Prüfer engagieren wollen. Und ich danke allen, die jetzt erstmals dieses Prüfer-Ehrenamt bei unserer IHK übernehmen.“ Der Saal applaudierte lautstark.

Ebenso wie etwas später bei der Ehrung von Vollversammlungsmitglied Yvonne Bouguila. Sie wurde für Ihre Verdienste um die Wirtschaftsjunioren (WJ) Mittleres Ruhrgebiet vom Ehrenpräsidenten der WJ Deutschland, Florian Gloßner, mit der Goldenen Ehrennadel der WJ ausgezeichnet.

Der Rest des Abends gehörte dann dem wundervollen „Buffet der Vielfalt“ – kleine Köstlichkeiten aus acht verschiedenen Ländern – das Zugewanderte vom „quaz.ruhr“ kreiert hatten, guten Getränken und intensiven Gesprächen … Foto: IHK Mittleres Ruhrgebiet.