Textilmuseum blickt zurück und auch nach vorn

Krefeld. In der Bibliothek des Deutschen Textilmuseums haben Museumsleiterin Dr. Annette Schieck und ihre Stellvertreterin Dr. Isa Fleischmann-Heck das vergangene Jahr bilanzierten. Gleichzeitig berichteten sie auch über die Projekte 2020: „Hauchzarte Gebilde“ – so lautet der Titel der nächsten Ausstellung im Deutschen Textilmuseum Krefeld. Sie eröffnet einen intimen, kunstvollen Einblick auf etwas, was Frau und Mann „unten drunter“ tragen. Im Haus am Andreasmarkt werden ab dem 10. Mai Aufnahmen der niederländischen Fotografin Ellen Korth gezeigt. Unterwäsche aus dem Zeitraum von 1850 bis in die 1930er-Jahre bildet die Basis für ihre ästhetischen Bilder, die wie graphische Werke wirken. „Sie durchleuchtet die Kleidungsstücke, wodurch die Strukturen zur Ansicht kommen, die man sonst nicht sieht“, so Schieck. Korth studierte an der Hochschule für Gestaltung Basel und arbeitet seit 1971 in Deutschland sowie den Niederlanden. Ihre verfremdeten Aufnahmen druckt sie auf Japanpapier aus, einem durchscheinenden Material. „Wir werden die Fotos in unterschiedlichen Größen bei uns ausstellen, auch großformatige Fotofahnen“, sagt Schieck. Hinzu kommen Objekte aus dem eigenen Bestand. Nach „Hauchzarte Gebilde“ (bis 13. September) folgt ab 11. Oktober die Ausstellung „Goldener Drache – Chinesische Textilien aus der eigenen Sammlung“ (bis Frühjahr 2021).
Die aktuelle Sonderausstellung „Zeitkolorit“ bildet den Abschluss des Forschungsprojektes „Weltbunt“ und wird noch bis zum 29. März gezeigt. Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Mode, insbesondere der Damenmode der 1850er- bis 1930er-Jahre und fokussiert sich auf den Aspekt der Farbigkeit. Untrennbar damit verbunden ist die Erfindung der synthetischen Farbstoffe in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit der Eröffnung im vergangenen September kamen schon über 5000 Besucher ins Textilmuseum.

Nach dem Rekordjahr 2018 mit fast 18.000 Besuchern lösten im vergangenen Jahr 13 150 Besucher ein Eintrittsticket für das Haus. Dass das Deutsche Textilmuseum Krefeld und seine Ausstellungen einen nationalen und internationalen Ruf besitzt, untermauern die zahlreichen Eintragungen ausländischer Besucher in das Gästebuch. Zu „Tracht oder Mode“ (2018/19) kamen Besucher aus Deutschland, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. „Unsere Gäste mit der weitesten Anreise kamen hierbei aus Mexiko und Brasilien“, so Schieck. Für die Sommer-Ausstellung „Asia – Europe IV. Fiber Art“ reisten Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und auch Finnland nach Krefeld an.

Als Ort der Forschung hat sich das Krefelder Haus im vergangenen Jahr national wie international weiter profiliert. „Wir haben ein produktives Jahr gehabt“, bilanziert Schieck. Den Höhepunkt bildete die internationale Konferenz des „Centre International d’Étude des Textiles Anciens“ (Cieta). Dabei handelt es sich um das weltweit wichtigste und größte Gremium für Wissenschaftler, die über historische Textilien forschen. Rund 120 Wissenschaftler, Kuratoren, Museumsleiter und Universitäts-Professoren aus Europa, Asien und Nordamerika tauschten sich während der mehrtägigen Konferenz in Krefeld über das Thema „Farben, Farbstoffe und die Bedeutung von Farben“ aus. Die fünfjährige Projektreihe „Ans Licht“, das die Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld mit 250.000 Euro ermöglicht, wird mit weiteren Forschungen im Bestand fortgesetzt. Dazu gehören auch die Ausstellung „Goldener Drache“ (Arbeitstitel) mit Forschungsergebnissen von Walter Bruno Brix zu ostasiatischen Textilien und die Forschung von Katalin Nagy an präkolumbischen Textilien (Ausstellung 2021).

Gleiches gilt für das internationale Forschungsprojekt „Fabric of my life“, an dem Wissenschaftler aus Dänemark und Griechenland mitarbeiten, sowie das nationale Projekt „Parvenüs“, das den sozialen Aufstieg von Personen im 18. Jahrhundert anhand ihrer persönlichen Ausstattung analysiert. In dem europaweit einzigartigen Forschungsprojekt „Antiker Seidenglanz – neu erschaffen“ untersuchen das Haus der Seidenkultur und das Deutsche Textilmuseum in Krefeld, wie vor rund 1600 Jahren hoch komplexe Seidengewebe gewebt wurden. Ziel ist es, die Fertigungsweise im Experiment zu erschließen und begreifbar zu machen. Das neu erworbene Wissen wird 2020 in internationalen Workshops Restauratoren, Kuratoren und anderen Textilexperten vermittelt.

Die Forschungsarbeit wurde 2019 mit zwei Publikationen abgerundet: In „Textile Erwerbung und Sammlungsstrategien europäischer Museen in der NS-Zeit“ werden die Ergebnisse der ersten Provenienz-Tagung über Textilien in Deutschland und eigene neueste Forschungsaspekte zusammengefasst. Zudem erstellten die Autoren eine Übersicht von Akteuren, die in der NS-Zeit am Raub und Handel mit textilen Objekten beteiligt waren. Bei der zweiten Publikation handelt es sich um einen Bestandskatalog samt Zusammenfassung der Forschungsergebnisse zur Ausstellung „Tracht oder Mode: Die europäische Sammlung Paul Prött im Deutschen Textilmuseum Krefeld“. Foto: Museumsleitung Annette Schieck (links) und Isa Fleischmann-Heck bei der Vorstellung der Publikation „Zeitkolorit“ Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof