Deutschland ist für zugewanderte Akademiker bislang mäßig attraktiv. Im OECD-weiten Vergleich schneidet die Bundesrepublik lediglich auf Platz zwölf ab. Spitzenreiter bei den Akademikern sind Australien, Schweden und die Schweiz. Gut hingegen schneidet die Bundesrepublik insbesondere bei der Gruppe der internationalen Studierenden ab – Platz drei im OECD-Vergleich – und bei jenen Zuwanderern, die ein Unternehmen gründen wollen. Hier belegt Deutschland den sechsten Platz. Zu diesem Ergebnis kommen die „OECD Indicators of Talent Attractiveness“, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung entwickelt wurden. In einem gemeinsamen Policy Brief finden sich Vorschläge, wie Deutschland für hochqualifizierte Migranten attraktiver werden kann.
Das größte Defizit in der Attraktivität für Hochqualifizierte hat Deutschland bei den beruflichen Chancen. Diese stehen für zugewanderte Menschen – insbesondere, wenn sie einen akademischen Abschluss aus Nicht-EU-Ländern mitbringen – vergleichsweise schlecht. Bei den um Steuern und Preisniveau bereinigten Löhnen liegt Deutschland lediglich auf Rang 25 und die Arbeitslosenquote für zugewanderte Akademiker liegt mit sieben Prozent trotz guter Arbeitsmarktlage sogar leicht über dem OECD-Durchschnitt. Darüber hinaus arbeiten ausländische Akademiker häufig nicht in Jobs, die ihrem Qualifikationsniveau entsprechen. Während 77 Prozent der im Inland geborenen Menschen mit akademischem Abschluss in einem hoch qualifizierten Beruf arbeiten, sind es bei Zugewanderten aus Nicht-EU-Staaten mit ausländischen Abschlüssen knapp 40 Prozent.
Matthias Mayer, Migrationsexperte der Bertelsmann Stiftung, sieht in Deutschland mit Blick auf die Fachkräftesicherung noch Luft nach oben: „Viele hochqualifizierte Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland arbeiten unter ihrem Qualifikationsniveau. Das ist schlecht für die Fachkräfte, schlecht für die Volkswirtschaft und hält zudem andere gut ausgebildete Menschen davon ab, nach Deutschland zu kommen.“ Zudem rät Mayer, berufsfachliche Kompetenzen, die Menschen bereits haben, bei der Fachkräftezuwanderung mehr zu berücksichtigen. So sollte von der im Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgesehenen Zuwanderungsmöglichkeit für Personen ohne formalen Abschluss, aber mit ausreichend Berufserfahrung auf dem Niveau einer akademischen Fachkraft, großzügig Gebrauch gemacht werden.
Eine weitere Hürde für die Zuwanderung von Fachkräften ist das Erfordernis der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse. In anderen Ländern ist eine Anerkennung für die Zuwanderung nur dann erforderlich, wenn es sich um regulierte Beschäftigungen (wie z. B. Gesundheitsberufe) handelt. Thomas Liebig, Leitender Ökonom der Migrationsabteilung der OECD, rät mit Blick auf Deutschland zu Reformen: „Das Erfordernis der Anerkennung der Berufsabschlüsse ist der Schwachpunkt des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die Bundesrepublik sollte die Anerkennungsverfahren für Berufe entschlacken und Alternativen erwägen.“ Er denkt dabei etwa an Turboverfahren, wie sie in Norwegen angewendet werden. Dort wird innerhalb weniger Tage evaluiert, ob Zugewanderte die für eine bestimmte Stelle erforderlichen Kompetenzen haben, ohne dass es zu einer allgemeingültigen formalen Anerkennung der Berufsqualifikation kommt.
Liebig weist zudem darauf hin, dass eine Migrationsentscheidung meist nicht nur eine Fachkraft, sondern eine ganze Familie betrifft: „Wer nach Deutschland kommt, sucht nicht nur nach Chancen für sich selbst, sondern auch für seine Familie“. Auch Angehörige – so die Analyse im vorliegenden Policy Brief – müssten umfängliche Unterstützung bei der Integration erlangen, etwa durch Sprachkurse und langfristige Aufenthaltstitel. Die Attraktivität für Fachkräfte, so Liebig, werde auch durch die Familienpolitik stark geprägt.