Die Stimmung in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft hat sich im Juni merklich eingetrübt. Während die Unternehmen die aktuelle Lage nur leicht schlechter einschätzten, revidierten sie ihre Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate deutlich nach unten. Die drohende Gasknappheit bereitet der nordrhein-westfälischen Wirtschaft große Sorgen, wobei die künftige Entwicklung kaum vorherzusehen ist.
„Aktuell profitieren die Unternehmen noch vom vorläufigen Ende der Corona-Beschränkungen und von damit verbundenen Nachholeffekten“, sagt Michael Stölting, Mitglied des Vorstands der NRW.BANK. „Aber das Verbrauchervertrauen trübt sich immer mehr ein, was den Konsum belastet. Zu hoffen bleibt, dass Corona keine allzu weitgehenden neuen Beschränkungen erzwingt – und dass weitere Energiepreissteigerungen sowie vor allem eine Gasrationierung ausbleiben.“
Das NRW.BANK.ifo-Geschäftsklima ist im Juni um 4,0 Saldenpunkte auf 3,1 Punkte gesunken. Damit wurde der positive Trend der beiden Vormonate unterbrochen. Das jüngste Minus ging fast ausschließlich auf eine Verschlechterung der Erwartungen zurück. Der Teilindikator fiel dabei auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren und signalisiert, dass die Konjunktur in Nordrhein-Westfalen einem Abschwung entgegenblickt. Die gegenwärtige Geschäftslage wurde hingegen nur leicht schlechter beurteilt.
Energiepreise steigen, Gasknappheit möglich
Steigende Energiepreise und eine drohende Gasknappheit bereiten der nordrhein-westfälischen Wirtschaft immer größere Sorgen. So hat Russland Mitte Juni seine Gaslieferung über die Ostseepipeline Nord Stream 1 um mehr als die Hälfte reduziert. Eine rechtzeitige Befüllung der Gasspeicher zum Winter hat dies erheblich erschwert. Von der Bundesregierung wurde daher die zweite Stufe des Notfallplans Gas aktiviert. Sollte es zu einem kompletten Stopp der russischen Gaslieferungen kommen, dürfte die dritte und höchste Stufe ausgerufen werden. Dann droht eine harte Rationierung, wobei die Industrie als erstes betroffen sein dürfte. Produktionsstopps wären die Folge, und das Land dürfte in eine sehr schwere Rezession geraten. Vor allem die chemische Industrie sowie die Metallhersteller sind von einer beständigen Gasversorgung abhängig. Beide Branchen sind in Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich vertreten.
Verarbeitendes Gewerbe: Stimmung gedämpft
Im Verarbeitenden Gewerbe hat der Indikator einen deutlichen Dämpfer erhalten. Die Unternehmen bewerteten die aktuelle Lage etwas weniger gut als im Vormonat. Zudem blicken sie merklich pessimistischer auf das zweite Halbjahr. Insbesondere die chemische Industrie ist sehr beunruhigt. Ein Plus konnte hingegen die Elektroindustrie verbuchen.
Handel: Geschäftsklima gesunken
Auch im Handel sank das Geschäftsklima im Vergleich zum Vormonat merklich. Die Händler sind deutlich weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften. Der Erwartungsindikator fiel auf den niedrigsten Stand seit April 2020. Der Großhandel war von der jüngsten Eintrübung deutlich stärker betroffen als der Einzelhandel.
Dienstleistungen: Stimmung weniger eingetrübt
Etwas weniger stark trübte sich die Stimmung im Dienstleistungssektor ein. Während die aktuelle Lage sogar leicht besser beurteilt wurde als im Mai, gaben die Geschäftserwartungen merklich nach. Im Gastgewerbe sank das Klima mit am deutlichsten. Dabei handelt es sich jedoch eher um eine Normalisierung nach der Euphorie vom Vormonat.
Bauhauptgewerbe: Geschäftsklima weiter verbessert
Im Bauhauptgewerbe in Nordrhein-Westfalen konnte das Geschäftsklima die Aufwärtsbewegung fortsetzen. Die Unternehmen bewerteten die Lage leicht besser. Ihre Erwartungen blieben pessimistisch, wenngleich etwas weniger als noch im Mai. Einen Dämpfer musste einzig der öffentliche Hochbau hinnehmen, wo sich die Geschäftsperspektiven verfinsterten.