MRZ Eine TV-Show gucken und dabei das Festnetztelefon griffbereit haben, um bei Votings teilzunehmen: Dieses Bild trifft heute auf immer weniger Fernsehzuschauer zu. Das Mediennutzungs-Verhalten hat sich geändert. Die Hochschule Niederrhein und die auf Medien-Interaktion fokussierte Twister Gruppe haben daher eine technische Lösung entwickelt, um TV-Votings den geänderten Bedürfnissen von Nutzern und Sendern anzupassen. Herkömmliche TV-Votings sind für die Zuschauer meist mit Kosten verbunden, sie können durch Mehrfachanrufe verfälscht und nicht mit weiteren Angaben zum Anrufenden verbunden werden. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind daher gerade in seriösen Formaten, die auf die sachgerechte Erhebung von Zuschauer-Meinungen Wert legen, limitiert. Dazu kommt: Festnetzanschlüsse werden weniger, die parallele Nutzung von Smartphone oder Tablet nimmt dagegen zu.
2017 wandten sich zwei Unternehmen der Twister Gruppe, die Twister Research GmbH und die digame GmbH (Köln), an die Hochschule Niederrhein. Das Ziel: eine programm- und appbasierte Umfragelösung zu entwickeln. Am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften arbeiteten die Professoren Dr. Matthias Freund (Ökonometrie) und Dr. Jürgen Karla (Wirtschaftsinformatik) an dem Projekt mit. Sie begleiteten die Entwicklung des Programms, achteten auf die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, insbesondere was Informationstechnik sowie Datenauswertung angeht.
„Für unsere Studierenden war das Projekt bei der Vermittlung von statistischen Fragestellungen ein gutes Anwendungsbeispiel“, sagt Matthias Freund. So konnten über das Projekt Fragen beantwortet werden, die für die angewandte Meinungsforschung wichtig sind: Zum Beispiel: Welche Voraussetzungen müssen bei nicht rein zufallsgesteuerten Auswahlverfahren zur Meinungsforschung gegeben sein, um trotzdem hohe Standards hinsichtlich Validität, Reliabilität und Objektivität zu erfüllen? Können die zu erwartenden Verzerrungen der Stichprobe algorithmisch korrigiert werden? Können onlinebasierte Umfragen genauso valide und objektiv sein wie die Methoden der etablierten Meinungsforschungsinstitute?
Die Antwort auf die letzte Frage: ein klares Ja. Noch einmal Matthias Freund: „Schon in näherer Zukunft ist zu erwarten, dass sich die Möglichkeiten und Formen der empirischen Sozialforschung radikal weiterentwickeln und damit auch die wissenschaftlichen Diskussion über die Standards der Meinungsforschung beleben werden.“ Und sein Kollege Jürgen Karla fügt hinzu: „Der Rezipient erwartet heute eine Unterstützung des Medienkonsums über leicht erfahrbare und einfach zu nutzende Apps auf mobilen Endgeräten. PAUL ist daher die logische Fortführung des Gedankens der Meinungserhebung.“
Ergebnis des Projekts ist die App PAUL, eine Web-Erweiterung sowie das zugehörige Kontrollcenter. Die Technik ist bereits bei Radio Bremen im Einsatz und kam erst jüngst bei der ZDF-Sendung „logo! Zum Mitmachen“ zum Einsatz. Einer der Geschäftsführer des in Köln ansässigen Unternehmens digame GmbH, Sebastian Winzen, ist Absolvent der Hochschule Niederrhein.