Im Jahr 2021 ist die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) über sich selbst hinausgewachsen. Sie hat neue Institute gegründet, neue Studiengänge eingeführt und bedeutsame Fortschritte in der Wissenschaft erzielt. Zugleich musste sie mit der Corona-Pandemie und der Hochwasser-Katastrophe zwei große Herausforderungen meistern.
Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat sich im zu Ende gehenden Jahr mit einem Experiment so hoch hinausgewagt wie nie zuvor: auf rund 400 Kilometer Höhe. Im August hat die Hochschule ein wissenschaftliches Experiment auf die Internationale Raumstation ISS geschickt. „Touching Surfaces“ nennt sich das Forschungsprojekt, das die H-BRS zusammen mit drei Partnern vorbereitet hat. Anhand von kleinen Tastenfeldern aus unterschiedlichen Metallen wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie Mikroben an verschiedenartigen Oberflächen anhaften. Die Auswertung des Experiments erfolgt unter anderem im Microbiome Center der H-BRS.
Unten auf der Erde musste die Hochschule mit den Folgen einer unerwartet hereingebrochenen Naturgewalt zurechtkommen. Bei dem schweren Unwetter, das Mitte Juli enorme Schäden in der Region angerichtet hat, ist auch der Campus Rheinbach überflutet worden. Glücklicherweise ist dort kein Mensch zu Schaden gekommen. Das Wasser stand in den Erdgeschossen und hat die Kellerräume geflutet. Vor allem dort ist die technische Infrastruktur zum größten Teil irreparabel beschädigt worden. Von jetzt auf gleich stand die H-BRS vor der Aufgabe, die Instandsetzung der Gebäude in die Wege zu leiten und gleichzeitig die Weiterführung des Lehrbetriebs zu organisieren. Beides ist ihr in kurzer Zeit gelungen.
Ausweichquartiere gefunden und eingerichtet
„All das wäre nicht möglich gewesen ohne das Engagement der Hochschulangehörigen und Studierenden, die in zahllosen Stunden freiwilliger Arbeit zuerst den Campus aufgeräumt und dann die Ausweichgebäude eingerichtet haben“, so Hochschulpräsident Hartmut Ihne. „Die Hochschule ist gleichsam über sich selbst hinausgewachsen. Zugleich haben wir bei der Suche nach Interimslösungen von vielen Seiten große Unterstützung erfahren, etwa von der Stadt Rheinbach und der Universität Bonn, für die wir sehr dankbar sind.“
Für die Zeit der Sanierung des Campus Rheinbach hat sich die Hochschule mehrere Ersatzgebäude gesichert. Darunter ist ein 5.000 Quadratmeter großer Gebäudekomplex an der Heisenbergstraße 16, der nur wenige Gehminuten vom Campus entfernt liegt. Mit einem früher von den Pallotinern genutzten Areal nutzt die Hochschule auch einen Standort in der Rheinbacher Innenstadt. Auch das Stadttheater und die Stadthalle in Rheinbach haben die Hochschule übergangsweise aufgenommen, ebenso wie die Uni Bonn.
Rückkehr zum Präsenzbetrieb
Und als ob all das noch nicht genug gewesen wäre, so hatte die Hochschule eine weitere, alle Standorte, Fachbereiche und Einrichtungen betreffende Aufgabe zu meistern: die Rückkehr zum Präsenzbetrieb. Nachdem die vergangenen drei Semester aufgrund der Corona-Pandemie von der Onlinelehre dominiert waren, sollten die Studierenden und Lehrenden mit Beginn des Wintersemesters wieder auf den Campus zurückkehren. Damit verbunden war die Einführung des 3G-Prinzips für Lehrveranstaltungen, was seither auch überprüft wird.
Bei der digitalen Lehre war die H-BRS schon vor der Pandemie sehr gut aufgestellt, in den „Corona-Semestern“ hat sie sich in der Hinsicht einen großen Innovationsschub gegeben. Als forschungsstarke Hochschule hat sie sich zudem selbst zum Forschungsgegenstand gemacht und die Bedingungen und Wirkungen von Onlinelehre umfassend evaluiert. In dieser Zeit sind viele neue und innovative Projekte entstanden, etwa der „digitale Spieleabend“. Die Idee dabei war, das Miteinander der Erst- und Zweitsemester trotz fehlender Präsenz zu stärken. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft fand die Umsetzung so überzeugend, dass er sie mit der „Hochschulperle des Monats“ auszeichnete.
Neue Institute, neue Studiengänge
Auch im Jahr 2021 hat die H-BRS ihr Studienangebot erweitert, neue Institute gegründet und weitere Professorinnen und Professoren berufen. So hat die Hochschule am Standort Sankt Augustin im November das Biometrie Evaluationszentrum eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) werden dort Sicherheitstechnologien, die mit biometrischen Merkmalen arbeiten, erforscht und erprobt. Im Juni hat das neue Institut für Cyber Security & Privacy die Arbeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist es, Forschung, Lehre und Transfer zu Themen der Sicherheit und Privatheit in der digitalen Welt unter einem Dach zu versammeln. Der zugehörige Bachelorstudiengang ist im Wintersemester am Fachbereich Informatik gestartet.
Ebenfalls neu ist der Masterstudiengang „Start-up Development“. Er vermittelt Gründerinnen und Gründern das Gewusst-wie, um ihr Start-up auf ein sicheres Fundament zu bauen. Von der Idee über den Businessplan bis hin zur Markteinführung sind alle Schritte der Start-up-Entwicklung im Studienverlauf integriert. Bei der Unterstützung von Unternehmensgründungen kann die H-BRS auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind mehr als 150 Unternehmen aus der Hochschule hervorgegangen. Mit der Start-up-Manufaktur hat sie 2021 allen ihren Unterstützungsangeboten ein neues Zentrum gegeben. Eine Premiere nicht nur für die Hochschule, sondern bundesweit, war zu Jahresbeginn die Einrichtung des Instituts für Verbraucherinformatik. Durch das Institut sollen neue Lehrinhalte aus dem noch recht jungen Forschungsgebiet entwickelt werden. Im Vordergrund steht die Frage, wie Verbraucher in ihren Datenschutzkompetenzen gestärkt werden können, um digitale Produkte sicher zu nutzen.
Ein weiterer Neuzugang ist der Master-Studiengang Nachhaltige Ingenieurwissenschaft, er ging als Nummer 39 in die Statistik ein. Er verbindet Maschinenbau und Elektrotechnik mit Aspekten der Nachhaltigkeit und legt seinen Schwerpunkt auf die Themenfelder erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Umwelttechnik.
Zum Stichtag 1. Dezember 2021 konnte die Hochschule 21 Bachelor- und 18 Masterstudiengänge vorweisen, 17 Forschungsinstitute, fünf Fachbereiche und 9256 Studierende an drei Standorten*.
Zehn Jahre Graduierteninstitut und ein Sieg auf der Rennstrecke
Die Zahl „10“ hat im zu Ende gehenden Jahr das Graduierteninstitut der Hochschule für sich beansprucht: Das in Sankt Augustin ansässige Institut feierte im Oktober sein zehnjähriges Bestehen. Es hatte seinerzeit Neuland betreten und ist mit den Jahren zum Vorbild für Initiativen in anderen Bundesländern geworden. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, Doktorandinnen und Doktoranden auf ihrem Weg zur Promotion zu unterstützen. Zudem hat es sich sehr für die Errichtung des Promotionskollegs NRW eingesetzt. Dieses soll es den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen – zu ihnen gehört auch die H-BRS – ermöglichen, Promotionsverfahren eigenständig durchzuführen und den Doktorgrad zu verleihen.
Kein Jahr ohne Auszeichnungen und Preise: Die H-BRS gibt auf vielen Gebieten ihr Bestes – und findet damit Anerkennung, national wie international. So hat die Motorsport-Gruppe der Hochschule die Formula Student Spain gewonnen: Auf der Rennstrecke Barcelona-Catalunya haben die Studierenden aus Sankt Augustin den Gesamtsieg eingefahren. Vor allem das Design des neuen Elektro-Rennwagens, Rufname „Luna“, überzeugte gegenüber starker internationaler Konkurrenz. Bei der Formula Student treten Studierenden-Teams an wechselnden Orten mit ihren Rennwagen im Formel-1-Stil gegeneinander an. Austragungsort der Formula Student Spain 2021 war vom 4. bis 8. August zum elften Mal der Circuit de Barcelona-Catalunya in Katalonien. Starke internationale Konkurrenz galt es auch im Juli bei der Roboter-Weltmeisterschaft hinter sich zu lassen. In zwei Disziplinen sind die Studierenden aus Sankt Augustin mit ihren Robotern gegen Teams aus der ganzen Welt angetreten. In der Arbeitsroboter-Liga sicherte sich das noch junge H-BRS-Team den Vizeweltmeistertitel. In der Liga der Haushaltsroboter haben sich die Studierenden den fünften Platz erkämpft.