„Manches sieht man nicht, weil man aus dem Paradies nie herausgekommen ist“

Kreis Kleve – Rees – Dieser Morgen wurde von einem Unternehmerfrühstück geprägt, das ganz sicher als ein besonderes in Erinnerung bleibt. Nahezu 100 Gäste – etwa doppelt so viele wie sonst – hatten sich ihren einladenden Platz im Bürgerhaus Rees gesichert, als Christoph Gerwers ans Mikrofon trat. Seine Kernaussage nach diversen Hinweisen auf das Wie: „Wir wollen, dass die Verweildauer unserer Gäste kontinuierlich besser wird“. Ein Verkehrskonzept fürs Radfahren solle es geben, die neuen Sitzgelegenheiten an der Rheinpromenade seien ein Gewinn, die „Mitfahr-Bänke“ im Stadtgebiet eine „schöne Idee“.

Silke Gorißen, die neue Landrätin für den Kreis Kleve, ließ bei ihrem ersten Unternehmertreffen in der Rheinstadt weit in ihren Lebenslauf und ihre Persönlichkeit blicken, erinnerte an ihre 21-jährige Selbstständigkeit als Rechtsanwältin, erzählte von Ängsten und schlaflosen Nächten in der Bauzeit des Impfzentrums und brach eine Lanze für die weichen Standortfaktoren und das Ehrenamt: „Haben Sie als Arbeitgeber Verständnis, wenn der Mitarbeiter von der Sirene ins Feuerwehrfahrzeug gerufen wird“, so Gorißen mit Blick auf die Firmenchefs. Sollten die weichen Standortfaktoren nicht stimmen, dann halte man niemanden, nicht die jungen Handwerker, nicht die Studierenden, nicht die Fachkräfte, so die Juristin, die einmal mehr die beispielhafte Qualität der Berufskollegs herausstellte. „Manches sieht man nicht, weil man aus dem Paradies nie herausgekommen ist“, suchte die Landrätin eine besondere Argumentation für manchen Abwanderungsgedanken und den schwer lösbaren Fachkräftemangel. Es war nicht das einzige Mal, dass Silke Gorißen den Applaus der Reeser an diesem Morgen auf sich zog.

So streifte sie die Themen „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“, erzählte von den Anstrengungen der Kreisverwaltung, die Digitalisierung voranzutreiben und nahm „den Ball auf“, den Kreis-Wirtschaftsförderer Hans-Josef Kuypers gespielt hatte: „Ja, wir brauchen mehr Gewerbeflächen. Unternehmen, die expandieren wollen, müssen dies in unserem Kreis Kleve tun können“, betonte die Landrätin.

Bei diesem zweiten Unternehmerfrühstück nach der Pandemie-Pause hatte der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve herausgestellt, dass die Zahl der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch im letzten Jahr wieder gestiegen sei, und zwar um 1.600 auf nunmehr 105.501. Wie im gesamten Kreisgebiet seien auch in Rees in den letzten zehn Jahren die Beschäftigtenzahlen deutlich nach oben geschnellt. So habe die Rheinstadt heute 5.372 Arbeitsplätze – ein Jahrzehnt zuvor 3.769. Kuypers nannte es einen Grund zur Freude, dass das gesamte Kreisgebiet ab Januar 2022 ins Regionale Entwicklungskonzept aufgenommen werde. Das lasse finanzielle Zuschüsse zu Investitionen von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) erwarten.

Dann schlug die Stunde für Nathalie Tekath-Kochs und deren Gesprächsrunde. In bewährter Manier entlockte sie Stefan van Dorsser vieles vom Weg zur Krematorium Rees GmbH und zum Baubeginn, den der Reeser Wirtschaftsförderer Heinz Streuff bestätigte. Der Bürgermeister sah schon vor Jahren einen Wandel in der Bestattungskultur und fühlt sich heute zurecht darin bestätigt, Stefan van Dorsser zu einem solchen Investment in Rees motiviert zu haben. Mit Photovoltaik-Anlage werde das Krematorium ausgestattet sein, mit Gründach und Energierückgewinnung. Als Weltneuheit wolle man die Anlage derart betreiben, dass sie CO2-negativ operiere. Der Stickstoff werde wohl um 75 Prozent gesenkt werden können, vermutete der künftige Betreiber des dann einzigen Unternehmens dieser Art im Kreisgebiet.

Mit Andreas Hüls als Geschäftsführer der Gruppe Hüls Baukonzepte GmbH dann erhielt ein Unternehmer von Nathalie Tekath-Kochs das Wort, dem man wohl noch Stunden hätte zuhören können. Hüls wird in Rees das sogenannte „Stadtgarten-Quartier“ realisieren mit geplanten 90 Wohnungen, mit einem REWE-Markt als sogenannter Vollversorger, mit Café, Bäckerei und dem Sozial-Rathaus.

Hüls geht davon aus, dass „Steine emotionalisieren“, dass sie „Menschen verbinden“ und „gute Ideen zu bleibenden Werten machen“. Rees habe Geschichte, lobte der Ideengeber Hüls den Standort. Auch daher wolle er hier ein Grundstück bebauen, dass er mit einem Fingerabdruck verglich. Die Nebenkosten für die Mietergemeinschaft seien geringer als in jedem Sechs-Familien-Haus, der Dachgarten indessen deutlich größer. „Es kann nicht sein, dass man 90 Wohnungen baut und der einzige gemeinschaftliche Raum ist der Fahrstuhl“, motivierte Andreas Hüls zum Nachdenken.